Wasselnheim

 

Beiträge zur Geschichte Wasselnheims

Von Philipp Wirth

Realschuldirektor in Worms



 

Anmerkung der Redaktion:

Wir haben lange überlegt, ob wir die Arbeit

Beiträge zur Geschichte Wasselnheims“

des Wormser Realschuldirektors Philipp Wirth - erschienen 1879 (Erster Teil) und 1880 (Zweiter Teil) in Worms – überarbeiten und entsprechend kürzen. Doch wir haben uns entschlossen, die Originalausgabe - der neuen Rechtschreibung angepasst - einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn sie legt nicht nur Zeugnis ab, über die Sprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts, sie umfasst Erkenntnisse, die für jeden Heimatkundler und heimatkundlich Interessierten im Dahner Felsenland von Interesse sein dürften. 

 

 

 

Vorbemerkung

Für diejenigen Leser, welche Wasselnheim entweder gar nicht oder nur dem Namen nach kennen, bemerken wir, dass dasselbe in nordwestlicher Richtung 25 Kilometer von Straßburg entfernt liegt und etwas über 4000 Einwohner hat.

1.Vorgeschichte

Über die Entstehung Wasselnheims, insbesondere über die Zeit seiner Gründung, ist leider nichts genaueres bekannt. Zum ersten Mal wird der Name in einer Urkunde aus dem Jahre 754 unserer Zeitrechnung erwähnt; es ist jedoch unzweifelhaft, dass schon die Römer an der Stelle, wo heute Wasselnheim steht, oder in nächster Nähe eine Niederlassung gegründet hatten. Dafür sprechen zahlreiche Reste von antikem Mauerwerk, die teilweise noch den alten Mörtelbewurf und selbst die rote Farbe der Zimmerwände erkennen lassen, ferner eine ziemlich große Anzahl Gräbern, Ziegelstücken, Tonscherben, Schmucksachen und dergleichen, die größtenteils bei der Anlegung des Bahnhofs aufgedeckt wurden und nach dem Urteil eines der vorzüglichsten Kenner auf dem Gebiete römischer Altertumsforschung ganz sicher römischen Ursprungs sind.  (gemeint ist Dr. Hettner aus Trier. Anm.d.Red.).

Nach den bisherigen Funden scheint die Niederlassung bürgerlicher Art gewesen zu sein. Dicht bei dem Güterschuppen des Bahnhofs stand offenbar ein römisches Landhaus von mächtiger Größe, das seinen Untergang wahrscheinlich durch Feuer gefunden hat (Römische Ziegeln, welche an dieser Stelle gefunden wurden und im Museum in Zabern aufbewahrt werden, sind mit einer grünlich-braunen Glasur überzogen, die nur von einer Feuersbrunst herrühren kann.) und die zahlreichen Gräber, welche in der Nähe aufgedeckt wurden, beweisen, dass dies nicht die einzige Anlage dieser Art am Orte war. Wie weit die Gesamtkolonie sich erstreckte, hat noch nicht festgestellt werden können.

Ebenso fehlt es an genügendem Anhalt zur Bestimmung der Zeit, wann die Niederlassung entstand. Vielleicht blühte sie schon unter Kaiser Augustus (30 v. Chr. Bis 14 n. Chr). Es spricht wenigstens nichts gegen diese Annahme; sie erhält vielmehr eher eine Bestätigung durch den Umstand, dass in einem der Gräber eine römische Silbermünze aus jener Zeit gefunden wurde. Wir wollen indes nicht unerwähnt lassen, dass dieselbe am Rande ziemlich stark abgegriffen ist und schon längere Zeit im Umlauf gewesen sein muss, ehe sie dem Toten auf die letzte Reise mitgegeben wurde.

Dicht bei der Stelle, wo das oben erwähnte Landhaus stand, finden sich ferner Reste einer römischen Straße, die sich in der Richtung von Nordosten nach Südwesten quer über die heutige Bahnhofsanlage hinzog. Man vermutet, dass es eine römische Militärstraße war, die sich von einer der beiden Städte Straßburg und Zabern direkt verbindenden Römerstraße bei Küttolsheim abgezweigte und durch das Golbuch über Brechlingen (und Goßweiler?) nach Dagsburg führte. (Hier bezieht sich Wirth auf „Morlet, Notice sur les voies romaines du dép. Du Bas-Rhin)

Zu beiden Seiten dieser Straße wurden die oben erwähnten Gräber gefunden. Eines derselben, ein sogenanntes Kastengrab, das aus roh behauenen Sandsteinplatten hergestellt war, ist noch jetzt (hinter dem Güterschuppen, rechts von dem nach Wangen führenden Feldwege) zur Hälfte erhalten.  

Kann also nicht bezweifelt werden, dass eine römische Ansiedlung sich hier befunden hat, so taucht jedoch die weitere Frage auf, ob die Römer die Ersten waren, welche den heimischen Herd sich hier gründeten, oder ob sie vielleicht schon ältere Wohnsitze vorfanden und sich nachbarlich bei ihnen niederließen? Letzteres scheint in der Tat der Fall gewesen zu sein; denn nach der Ansicht der Forscher ist der Name Wasselnheim mit Ausnahme der Endsilbe, die von den Deutschen später angefügt wurde, keltischen Ursprungs und älter als die römische Besitzergreifung diesseits des Rheines. Der Name lautet zwar schon im Jahre 754, wo wir ihn zum ersten mal aufgezeichnet finden, fast genau so wie heute, nämlich „Wazzeleneheim“ (zz im Althochdeutschen = ß, also Waßelenheim) und besaß also zu jener Zeit schon die deutsche Endsilbe. Dies beweist jedoch keineswegs, dass dieselbe auch ursprünglich damit verbunden war.; Beispiele anderer elsässischer Ortsnamen, welche erst im Mittelalter die Endsilbe ‚heim’ angenommen und teils behalten, teils wieder verloren haben, sprechen vielmehr für das Gegenteil. Französische Gelehrte erklären den Namen als eine Zusammensetzung von ais oder as = Anhöhe und lon oder lan = Schutzort, Wohnsitz. Derselbe würde demnach im Deutschen soviel wie „Hochheim“, hochgelegener Wohnort bedeuten. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass die ersten Anfänge Wasselnheims (wie auch die römische Niederlassung), nachweisbar nicht auf der vorhandenen Anhöhe, sondern an ihrem Fuße gelegen haben; ferner dass der Anlaut W bei dieser Ethnologie als nicht vorhanden betrachtet wird. (Wirth: Derselbe müsste, wenn die Ethnologie richtig wäre, als keltisches Digamma erklärt werden.)

Ein deutscher Forscher ist deshalb der Ansicht, dass die Silbe Was (wofür eine Wurzel im keltischen sich nicht findet) zur Zeit als Deutsche und Kelten sich zu mischen anfingen, aus dem Deutschen eindrang und nichts anderes als „Wasser“ bezeichnet. Waslon, oder wie der Name noch heute im Dialekt lautet, Wasle (le ist im Keltisch-Walisischen wie lon im Keltisch-Irischen gleichbedeutend mit dem deutschen „heim“) würde demnach „Wasserheim“ bedeuten und einen an einem größeren wasser gelegenen Ort bezeichnen.

Diese Erklärung erscheint uns um so annehmbarer, als die Beschaffenheit der Umgebung Wasselnheims die Vermutung nahe legt, dass sich einst ein See hier befand, der erst durch die Entstehung des Kronthals, (das heute  von der Mossig durchströmt wird) einen Abfluss erhielt. An den letzten Resten dieses Sees, die wohl mehr die Beschaffenheit eines Sumpfes als eines Sees oder Teiches hatte, wurde demnach Wasselnheim gegründet.

Fassen wir das Ergebnis unserer Untersuchung über die Vorgeschichte Wasselnheims kurz zusammen, so lautet es: Wasselnheim ist keltischen Ursprungs und hieß ursprünglich Waslon oder Waslan. Von den römischen Eroberern wurde es in das von ihnen angelegte Straßennetz gezogen, und neben ihm blühte längere Zeit eine römische Kolonie. Diese erlag dem Ansturm der Germanen bzw. Den Deutschen, während der eigentliche Ort erhalten blieb, um fortan unter seinem heutigen Namen in der elsässischen Geschichte eine, wie wir sehen werden, nicht ganz unbedeutende Rolle zu spielen.



2. Wasselnheim unter den fränkischen Königen

Zum ersten Mal finden wir, wie bereits erwähnt, den Namen Wasselnheim schriftlich aufgezeichnet in einer aus einer aus dem Jahre 754 stammenden und in dem barbarischen Latein jener Zeit geschriebenen Urkunde, durch welche die Gräfin Adala, die Tochter des Grafen Bodalus, ihren vom Vater ererbten Anteil an Wasselnheim und dem Dorfe „Esphenwilere“ dem Kloster Hornbach bei Zweibrücken schenkte. Da das Aktenstück nicht nur für die Richtung jener Zeit bezeichnend, sondern auch grundlegend für die spätere Entwicklung Wasselnheims ist, so lassen wir es in möglichst wortgetreuer Übersetzung folgen. Dasselbe lautet:

So lange die Hinfälligkeit des menschlichen Geschlechtes uns mit steter Furcht vor dem Tode erfüllt, sollte wegen der Gefahr eines plötzlichen Hinganges  Keiner unvorbereitet gefundet werden, damit er nicht ohne den Trost irgend eines guten Werkes aus dieser Zeitlichkeit scheide, sondern, solange es in seiner Macht und Gewalt steht, sich den Weg des Heiles bereite, auf dem er zur ewigen Seligkeit zu gelangen vermöge. Aus diesem Grunde schenke ich Adala, die Tochter des Bodalus, nachdem ich mich Gott geweihet habe, für meine ewige Seligkeit und die VergEbung meiner Sünden dem Kloster Samund welches zu Ehren St.Petri und der übrigen Heiligen errichtet ist, und wo der Bischof Jakobus mit seinen ebendaselbst weilenden Mönchen ein gottgefälliges Leben nach der Regel führt, schenke ich also diesem heiligen Ort – und ich will, dass die Schenkung für alle Zeiten gültig sei – die nachbenannten, in dem elsässischen Gaue gelegenen Dörfer, welche Wazzeleneheim und Esphenwilere heißen, mit den Ländereien und dem Hälften des Zehnten, mit den Häusern, den Wirtschaftsgebäuden und Leibeigenen, den Weinbergen, Wäldern, Hütten, Schuppen, Feldern, Wiesen und Weiden, Wassern und Wasserläufen, mit der Habe beider Geschlechter mündigen und unmündigen Alters und allem beweglichen und unbeweglichem Zubehör.  So viel mir in jenen Marken einst mein oben erwähnter Vater bei seinem Tode hinterlassen hat, meinen ganzen Anteil übergeben und übertragen wir zu unbeschränktem Besitze vom heutigen Tage an diesem heiligen Orte, damit das Kloster und seine Bruderschaft, welche Tag und Nacht ohn’ Unterlass daselbst dient, von diesem Tage an das oben erwähnte Gut haben, behalten und besitzen und mit der Gnade Christi ihren Nachfolgern hinterlassen, oder was sie hinfort damit tun wollen, in Gottes Namen die freie und vollste Gewalt dazu über Alles haben sollen. Wenn irgend Jemand , ich oder meine Erben oder irgend welche andere Person, diese von mir gestiftete Schenkung anfechten oder irgend einen Rechtsstreit sollte erregen wollen, was, wie ich hoffe, nicht geschehen wird, alsdann soll derselbe euch, unsern Rechtsnachfolgern, doppelt so viel, als diese Schenkung betrug, entrichten. Und überdies soll er dem allerheiligsten öffentlichen Schatze zehn Pfund Gold oder zwanzig in Silber entrichten und sein Anspruch auf Wiedererstattung soll keine Geltung haben, sondern die gegenwärtige Schenkung soll jeder Zeit auf Grund der getroffenen Übereinkunft unverletzt bleiben. Gegeben im Dorf Bergas am 18. August im dritten Jahre der Regierung unseres Herrn, des Königs Pippin. Unterzeichnet. Adala hat unterzeichnet u.s.w. (Es folgen die Namen der Zeugen und des Notars).

Der in dieser Urkunde erwähnte Bodalus stammte von dem Herzog Attich, dem Vater der durch die Sage verherrlichten

Odilia ab. Er wird Graf vom Elsass genannt, scheint aber nur den Titel, nicht auch Amt und Würden eines solchen besessen zu haben. Er hatte zwei Kinder, einen Sohn Egerhard und eine Tochter Adala (Attala). Der erstere starb vor dem Vater, die letztere entsagte der Welt und ging, wie in unserer Urkunde angegeben ist, in ein Kloster.

Adala hatte von ihrem Vater außer andern Besitzungen die Hälfte von Wasselnheim geerbt. Dass sie nicht das ganze Dorf besaß, geht aus dem Schenkungsakte hervor; denn sie sagt darin, dass sie ihren „ganzen Anteil“ (porcionem meam totam) verschenke, und das derselbe außer gewissen Ländereien, Gehöften und Hörigen, den „Zehnten der halben (Kirchen-)Gemeinde umfasse (cum... decimecione dimidie ecclesie).

Wem der andere Teil des Dorfes gehörte, ist zwar nirgends gesagt; wir werden aber nicht fehl gehen, wenn wir annehmen, dass derselbe unmittelbares Eigentum der fränkischen Könige war. Es wird nämlich in späteren Zeiten wiederholt von dem Vorhandensein eines „Königshofes“ in Wasselnheim gesprochen, über dessen Entstehung nichts bekannt ist. Gleich den meisten übrigen Königshöfen wird auch dieser schon in früher Zeit von den fränkischen Königen angelegt worden sein, was umso wahrscheinlicher ist, da das nahe gelegene Kirchheim oder Marlenheim bekanntlich lange Zeit hindurch eine Lieblingsresidenz der austrasischen Könige war.

Da die der Abtei Hornbach geschenkten Besitzungen ohne Zweifel ebenfalls von einem Herrenhof aus bewirtschaftet wurden, so bestand Wasselnheim zur Zeit der fränkischen Herrschaft aus zwei Herrenhöfen, auf denen die Meier wohnten, und den dazugehörigen Bauernhöfen, deren Inhaber wohl sämtlich Leibeigene und Hörige waren. Der Königshof wird in späteren Urkunden der „niedere Dinghof“ genannt.   Derselbe soll nach Helmer (Geschichtliche Notizen der Umgebung von Wasselnheim und Molsheim, S.65)) am Ratbache gelegen haben. Der Kloster, der auch der „obere Dinghof“ oder „Hof des heiligen Pirmin“ genannt wurde, lag vermutlich am heutigen Marktplatz, wo später die sogenannte „Stube“ erbaut wurde.   

 



3. Wasselnheim unter den deutschen Kaisern

Vom Ende des 9. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts

 

Mehrere Jahrhunderte lang fehlt jede Notiz über Wasselnheim.

Dagegen finden wir 1135 zum erstenmal den heute mit Wasselnheim zu einem Gemeinwesen vereinigten Ort Brechlingen erwähnt. In einer am 13. Juni 1135 zu Pisa erlassenen Bullebestätigt nämlich Papst Innozenz II. dem Abte dem Abte des Klosters Hugshoven (Ein früheres Kloster im Weilerthal, von dem heute keine Spur mehr vorhanden ist. Es wurde 1616, da es keine Mönche mehr hatte, von Österreich an die Abtei Andlau verkauft, wird aber noch 1733 in der „Epitome geographiae von Cluver erwähnt) und muss damals also noch vorhanden gewesen sein) und seinen rechtmäßig gewählten Nachfolgern den Besitz verschiedener durch Schenkung erworbener Güter, darunter darunter auch eines solchen in „Brachalfingen“.

Da diese Benennung sich sich auf keinen andern elsässischen Ort als Brechlingen beziehen lässt, so nimmt man mit Recht an, das letzteres darunter zu verstehen sei. – Im Laufe der Jahrhunderte hat dasselbe freilich seinen Namen bedeutend verändert; doch sind derartige Erscheinungen auch in der elsässischen Geschichte nicht gerade selten. Im Jahr 1378 wird das Dorf in einer Verkaufsurkunde „Ueberechlingen“ genannt, zu Beginn des 16. Jahrhunderts dagegen Brechlingen, wie es heute heißt.

Über die frühern Schicksale Brechlingens wissen wir nichts. Der Sage nach wäre es einst viel bedeutender als Wasselnheim gewesen, was indessen sehr unwahrscheinlich ist, seit dem 12. Jahrhundert wenigstens ist Wasselnheim der bedeutendere Ort. Nur der Name  „Brachalfingen“ gibt uns einige Andeutungen über die Vergangenheit des Dörfchens. Derselbe soll gleichfalls keltischen Ursprungs sein und einen Viehmarkt mit Ackerbau und Viehzucht bezeichnen. Demnach reichen auch die Anfänge Brechlingens in das Altertum hinauf und sind eng mit der Entstehung und Vergrößerung Waffelnheims selbst verbunden.

Als die Bewohner dieses letztern sich dergestalt mehrten, dass Teile der unbebauten, zur Weide dienenden Feldmark urbar gemacht werden mussten, wurden vermutlich einzelne Freie oder Hörige an der Stelle des Viehmarktes in der Nähe der neuen Ackerfelder angesiedelt, und da derselbe Vorgang sich im Laufe der Jahrhunderte wohl öfters wiederholte, so entstand an jener Stelle allmählich ein Dorf. Dasselbe war also stets mit Wasselnheim verbunden. Ein Teil davon gehörte in späterer Zeit zu dem Dinghofe der Abtei Hornbach. Der Ort hatte auch eine eigene Kapelle, die nach Mitteilungen noch lebender Personen erst zu Beginn unseres Jahrhunderts abgebrochen wurde.



Trotzdem die Urkunden wie bemerkt, mehrere Jahrhunderte lang über Wasselnheim selber schweigen, so ist es uns doch nicht ganz unmöglich, einen Blick in die Entwicklung des Dorfes während jener Zeit zu tun.

Durch den Vertrag von Mersen (870) war das Elsass, das bis dahin zu dem lothringischen Reiche gehört hatte, zu Deutschland gekommen und wurde als unmittelbares Reichsland von Grafen verwaltet. Da mit dem Lande zugleich sämtliche Rechte der frühern Herrscher auf den deutschen König übergegangen waren, so muss auch der Teil Wasselnheims, welcher zu dem Königshof gehörte, unmittelbares Besitztum des Königs geworden sein, der dasselbe vermutlich durch seine Dienstleute (Ministerialen) verwalten ließ. Ob dieses Verhältnis auch in der Folge fortbestand, nachdem das Elsass 925 mit dem Herzogtum Alemanien oder Schwaben vereinigt worden, kann bei dem Mangel aller schriftlichen Aufzeichnungen nicht ausgemacht werden. Vieles spricht dafür, dass es so war. So heißt es in dem Weisthum des obern Dinghofes vom Jahr 1405 und 1529: “Wir sprechen und erkennen, wie von alten herkommen und recht ist, dass Wasselnheim und Brechlingen zwinge und banne freidörfer des heiligen römischen reichs und ein lehen von einem römischen könig und dem heiligen reiche sein.

Dafür spricht ferner, dass es nach demselben Weisthum kein Bannwasser, keine Bannmühle und keinen Bannofen in Wasselnheim gab.

 

(Das Wort „Bann“ bezeichnet in diesen Zusammensetzungen einerseits ein Gebot, andererseits ein Verbot unter Strafandrohung. Ein Bannwasser war ein Wasser, dessen Benutzung von dem Besitzer allen Nichtberechtigten verboten bzw., nur gegen gewisse Abgabe gestattet war; Bannmühlen und Bannöfen waren dagegen Mühlen und Backöfen, deren Benutzung den zu einem Hofe, einer Herrschaft u.s.w. gehörigen Leuten unter Androhungen von Strafe geboten war. – Als an Stelle der ursprünglichen Gleichheit des Grundbesitzes immrer größere Ungleichheit trat, indem es Einzelnen durch Erbschaft, Schenkung, Kauf oder auch gewaltsame Aneignung gelang, ihren Besitz in außergewöhnlichem Maße zu vergrößern, suchten diese vom Schicksal Begünstigten da, wo ihre Güter große geschlossene Massen bildeten, sich gewöhnlich auch von den auf der gesamten Feld- oder Waldmark ruhenden Verpflichtungen und Lasten zu befreien, indem sie mit ihrem Besitztum (wenigstens durch Einzäunung desselben) aus der Gesamtmark ausschieden, Dadurch wurde der ausgeschiedene Bezirk allen, die nicht darin wohnten, bzw. dazu gehörten, unzugänglich

Und unbenutzbar gemacht (oft unter gleichzeitiger Androhung von Strafen): er wurde gebannt. So entstanden zuerst die Bannforsten, dann auch Bannwasser, Bannweiden usw. Andererseits entstanden in diesen Gebieten die oben erwähnten Bannmühlen, -öfen, -schmieden usw., zu deren Benutzung die die gutshörigen Leute gezwungen waren, und die darum für die Besitzer in der Regeleine sichere Einnahmequelle bildeten. Der Natur der Sache gemäß fanden sich diese Banngerechtigkeiten weit seltener in den reichsunmittelbaren Gebieten, als in denen der weltlichen und geistlichen Großen, und ihr Fehlen darf in unserem Falle als ein Beweis für die Reichsunmittelbarkeit Wasselnheims angesehen werden.)

 

Dafür spricht endlich, dass die deutschen Kaiser seit Ende des zwölften Jahrhunderts Wasselnheim, das zeitweilig in andere Hände gekommen war, mit seltner Entschiedenheit als kaiserliches Dorf für das Reich zurückverlangten –und zurückerhalten.

Es ist möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass den schwäbischen Herzögen das Dorf als Reichslehen übertragen wurde; seine Reichsunmittelbarkeit wurde dadurch nicht vernichtet. Als endlich das schwäbische Herzogsgeschlecht der Hohenstaufen selber den Kaiserthron bestieg (1138),fiel auch jene Belehnung weg und Wasselnheim war ein Freidorf des Reiches.

Durch diese Verhältnisse begünstigt, hatte sich das Dorf allmählich zu einem ansehnlichen Gemeinwesen vergrößert; den Hörigen, und zwar, wie es scheint, sämtlichen sowohl des Königsgutes als auch des Klosterhofes, war es im Laufe der zeit gelungen, sich von der persönlichen Unfreiheit zu befreien und die Dienstbarkeit auf bestimmte Leistungen und Abgaben zu beschränken. (Aus verschiedenen Gründen, deren Auseinandersetzung uns hier zu weit führen würde, vermochten die Hörigen in den reichsunmittelbaren und geistlichen Territorien weit leichter das Joch der Leibeigenschaft abzustreifen, als in den Gebieten der weltlichen Großen.) In keiner der auf Wasselnheim bezüglichen Urkunden werden seit Ende des 12. Jahrhunderts mehr Leibeigene oder Hörige im eigentlichen Sinne (mancipia oder servi) aufgeführt und das oben erwähnte Weisthum sagt ausdrücklich: „Ein banherr soll auch kein eigen mann haben, er seie dan von dem galgen erlöst.“

Aber auch Wasselnheim musste den Einfluss der beklagenswerten Zustände erfahren, welch durch die falsche Politik der deutschen Kaiser herbeigeführt wurde. Während diese dem Wahnbild eines deutsch-römischen Weltreiches nachjagten und auf immer wiederholten Römerzügen ihre Kräfte vergeudeten, büßten sie zu Hause ein, was sie in der Fremde vergeblich zu erringen trachteten; Macht und Ansehen der Krone sanken von Jahrhundert zu Jahrhundert und weltliche und geistliche Große rissen die Besitzungen des Reiches an sich. Gerade den letztern, den geistlichen Großen, wurde das Streben nach Machterweiterung noch durch mancherlei andere günstige Umstände erleichtert. Durch die Kreuzzüge war das Ansehen der Kirche bedeutend gestiegen, und Tausende von Gläubigen wurden durch die Sorge um ihr Seelenheil dazu getrieben, ihre Habe ganz oder teilweise den Klöstern oder Bistümern zu übergeben. Hatte aber ein Abt oder Bischof auf solche Weise einmal irgendwo festen Fuß gefasst, so war es ihm ein Leichtes, seinen Besitz durch weitere Schenkungen oder Ankäufe zu vergrößern und abzurunden, die bisherigen Beamten der Gemeinde oder Genossenschaft durch seine Dienstleute zu verdrängen oder für sich selber in Dienst zu nehmen und so seine Herrschaft endlich auf das ganze Gebiet auszudehnen und dauernd zu befestigen.

Ein ähnliches Schicksal erfuhr auch Wasselnheim gegen Ende des 12. oder zu Anfang des 13. Jahrhunderts, indem es dem Bistum Straßburg auf die eine oder andere Weise gelang, den Ort unter seine Herrschaft zu bringen. Wahrscheinlich besaß das Bistum zuerst nur ein Bauerngut oder bloß einen Teil eines solchen, der ihm durch Schenkung zugefallen war, verstand es aber, diesen Besitz im Laufe der Zeit so bedeutend zu erweitern, dass es zuletzt sogar einen eigenen Dinghof besaß oder den einen der vorhandenen Dinghöfe als sein Eigentum beanspruchte, wie aus einer Urkunde vom Jahr 1223 hervorgeht. In derselben wird nämlich bei der Aufzählung dessen, was dem Bistum als Eigentum zukomme, in erster Linie eine curia, das ist ein Herrschaftshof, genannt und von dem übrigen Dorfe (villa) unterschieden. Wo dieser Hof – falls es ein neu angelegter war – lag, ist unbekannt; vielleicht ist das spätere Schloss aus ihm hervorgegangen. Noch wahrscheinlicher aber dünkt uns, dass unter der curia der Königshof zu verstehen ist, den das Bistum für sich begehrte oder tatsächlich in Besitz nahm, nachdem es ihm gelungen war, die öffentliche Gewalt an sich zu bringen.

Dass es diese letztere in Wasselnheim besaß, wird gleichfalls durch mehrere Urkunden aus jener Zeit bestätigt.

Nach den Angaben derselben übte der Bischof daselbst das Patronatsrecht aus, erhob die Zehnten und übrigen Abgaben für  sich, ernannte den Meier „nachseinem Gefallen“, forderte die Bewohner vor sein Gericht und nahm die Vogtei als sein Recht in Anspruch. Da wir das Bistum zu Beginn des 13.Jahrhunderts im Besitz dieser Machtbefugnisse finden, so dürfen wir annehmen ,dass es dieselbe eine Reihe von Jahren hindurch ungehindert ausgeübt hatte. Denn die Zeiten waren gerade damals den nach Machterweiterung strebenden Großen äußerst günstig, da blutige Bürgerkriege im  Reiche tobten und keiner der vorhandenen Kaiser (zuerst Philipp von Schwaben und Otto IV, seit  1215 Friedrich II) Macht genug besaß, um  den Anmaßungen der großen Vasallen entgegen zu treten. Sobald jedoch ruhigere Zustände wiederkehrten, erstand dem Straßburger Stifte ein mächtiger Widersacher in dem Kaiser Friedrich II. Welche einzelne Rechte derselbe im Namen des Reichs zurückverlangte, ist nicht klar ersichtlich, wahrscheinlich alle diejenigen, welche die Bischöfe sich zugeeignet hatten, ohne Brief und Siegel darüber zu besitzen. Seine Forderungen bezogen sich auf eine ganze Reihe elsässischer

Ortschaften, in erster

Linie aber auf Wasselnheim und Muhlhausen, das gleichfalls in den Besitz des Bistums gelangt war.

Obgleich der Bischof anfänglich jeden Gedanken an eine Minderung seiner Macht weit von sich wies, willigte er endlich (1221) dennoch ein, den Streit durch ein Schiedsgericht schlichten zu lassen. Das Richteramt versahen die Äbte von Murbach und Neuburg und der Landgraf Siegebert von Wird; außerdem war der Bischof Heinrich von Behringen selbst zugegen. Dem vorwiegend geistlichen Charakter des Gerichtshofes entsprechend, fiel der Urteilsspruch gänzlich zu Gunsten des Bischofs aus, indem ihm „Wasselnheim mit allem Zubehör ohne jegliche Ausnahme“ zugesprochen und ausdrücklich bestimmt wurde, dass die stiftshörigen Bewohner des Dorfes nur bei den bischöflichen Gerichten ihr Recht suchen dürften.

Der Kaiser gab sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, und es kam deshalb im Laufe der beiden folgenden Jahre zwischen seinen Bevollmächtigten und dem Bischof eine neue Einigung zu Stande, die schon etwas günstiger für ihn ausfiel, insofern ihm die Vogtei und die Hälfte der damit verbundenen Einkünfte zugestanden wurde, während der Bischof freilich  „den Herrschaftshof Wasselnheim mit dem Dorfe“ und allen übrigen Rechten behalten sollte.

Auch dieser Übereinkunft erteilte Friedrich seine Genehmigung nicht, und da er selbst seit 1220 in Italien weilte, so übertrug er die Ordnung der Angelegenheit dem Erzbischof von Köln und dem berühmten Großmeister des Deutschherrenordens Herrmann von Salza, der zu seinen treusten Anhängern im Reich gehörte. Aber auch diesmal war er kaum besser beraten als früher, denn beide Bevollmächtigte beauftragten ihrerseits wieder den päpstlichen Legaten Kardinal Konrad von Urach mit dem Abschluss eines Vergleiches, der in der Tat 1224 von dem letztern und dem Bischof Berthold von Teck, dem Nachfolger Heinrichs von Behringen zu Hagenau unterzeichnet wurde. Der neue Bischof erklärte sich darin bereit, dem  Kaiser außer der bereits zugestandenen Vogtei noch den Herrenhof Wasselnheim nebst allem Zubehör mit Ausnahme des Patronats als Lehen zu übertragen; so dass dem Bistum also das Oberbesitzrecht verbleiben sollte.

Allein Friedrich war weit davon entfernt, mit diesen Zugeständnisse zufrieden zu sein; er beanspruchte offenbar das ganze Dorf ohne jegliche Einschränkungen, verschob jedoch, wie es scheint, die endgültige Regelung der Sache bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland. Im Monat März des Jahres 1236 erschien er  endlich selbst mit einem glänzenden Gefolge von geistlichen und weltlichen Großen in Straßburg und schloss mit dem Bischof Berthold einen Vertrag, durch den sämtliche streitige Punkte geregelt wurden. Das Bistum musste sich dazu bequemen,  Wasselnheim samt allen Rechten, mit einziger Ausnahme des Patronatsrechts und und der Lehensgüter der bischöflichen Vasallen an Kaiser und Reich zurück zu geben und erhielt dafür  die Vogtei in Bischofsheim.

So war denn der langjährige Zwist geschlichtet und Wasselnheim unter die unmittelbare Herrschaft des Reiches zurückgekehrt.

Die zwischen Kaiser und Bistum geführten Unterhandlungen gleichwie das Endergebnis dergleichen sind in doppelter Beziehung interessant. Sie zeigen uns einerseits, mit welcher Zähigkeit die Großen des Reiches an ihrem tatsächlichen – wie auch immer erlangten – Besitzstande festhalten und wie die Gemeinsamkeit der Interessen selbst die Vertrauenspersonen des Kaisers dazu treibt, in Streitigkeiten weniger den Vorteil des Reichsoberhauptes, als den seiner Gegner im Auge zu behalten. Andererseits aber darf der Umstand, dass in dem vorliegenden Falle das Bistum sich immer größeren Zugeständnissen bereit finden lässt, dass es zuerst die Vogtei, dann die Vogtei und den Herrenhof und endlich das ganze Dorf an den Kaiser abtritt, als sicherer Beweis dafür angesehen werden, dass die Ansprüche des Kaisers rechtlich wohlbegründet waren. Diese Ansicht wird durch die weitere Tatsache bestätigt, dass Friedrich II bei allen anderen angesprochenen Orten sich mit geringeren Zugeständnissen begnügte und nur an der Abtretung Wasselnheims mit voller Entschiedenheit festhielt. (Mit Mülhausen, Neuenburg und einigen anderen Orten ließ er sich belehnen, bei Mosheim und Mutzig begnügte er sich mit der Vogtei.)

Außer seinem guten Rechte dürfte den Kaiser hierzu wohl auch noch der Umstand veranlasst haben, dass dicht bei Wasselnheim eine starke kaiserliche Burg, die Kronenburg erbaut worden war. Sie lag links von der Mossig am Eingang des Kronthals auf der sogenannten Fels, wo noch heute einige Reste ihrer Grundmauern zu sehen sind. Das Kronthal sowie die Kronenburger Straße und Vorstadt zu Straßburg haben von ihr den Namen erhalten.

Die Sage berichtet zwar, dass König Dagobert II, der so ziemlich Alles im Elsass getan haben soll, auch die Kronenburg errichtet habe; in Wirklichkeit aber war ihr Erbauer ein tapferer deutscher Ritter des 13. Jahrhunderts Namens Wolfel oder Wölfelin. Aus unbekanntem Geschlechte stammend, hatte er durch seine Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit sich die Gunst des Kaisers Friedrich II in so hohem Grade zu erweben gewusst, dass dieser ihn zuerst zum Vogt von Hagenau und später zum Landvogt des Elsass ernannte. Im Auftrag seines königlichen Herrn befestigte er eine Reihe reichsunmittelbarer Orte im Elsass, wie Schlettstadt, Kaiserberg und andere und hat vermutlich auch die Kronenburg erbaut, um die Rechte des Reiches leichter gegen die Anmaßungen der Großen schützen zu können. Das Jahr ihrer Gründung ist unbekannt; wahrscheinlich fällt ihre Erbauung in das zweite Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts und wurde durch den Streit des Kaisers mit dem Bistum Straßburg veranlasst.

Weitere Ansiedelungen scheinen zu jener Zeit in Krontal noch nicht vorhanden gewesen zu sein, erst einige Jahrhunderte später werden solche erwähnt. Sie bildeten ein eigenes Dorf, das nachgehend mit Marlenheim zu einer Gemeinde vereinigt wurde. Die Kronthalmühle indessen gehörte stets zu Wasselnheim und war ein kaiserliches Lehen, das aber 1510 mit Zustimmung des Kaisers Maximilian I. von dem damaligen Inhaber an den Bischof von Straßburg verkauft wurde.

 

Durch den oben erwähnten Vertrag vom Jahre 1236 hatte das Bistum Straßburg zwar auf die Herrschaft über Wasselnheim verzichtet, war jedoch im Besitze gewisser Güter geblieben, mit welchen es einzelne seiner Dienstleute belehnt hatte. Ebenso hatte jener Vertrag nichts an den Besitzrechten der Abtei Hornbach geändert, zu deren Dinghof fast die Hälfte der Dörfer Wasselnheim und Brechlingen nebst ihrer Feldmark gehörten. Außerdem war endlich noch die Abtei Andlau schon seit längerer Zeit in Wasselnheim begütert; bereits im Jahre 1156 erscheint ein Erbo von Wasselnheim als Dienstmann dieses Klosters. Dasselbe scheint jedoch später seine Besitzungen an das von ihm gegründete Armenhospital und Kloster Steige abgetreten zu haben; denn in einer Bulle vom Jahre 1289, durch welche Papst Nikolaus IV diesem Kloster den Besitz seiner Güter bestätigt, finden wir auch Wasselnheim unter den zahlreichen Dörfern aufgeführt, in welchen dasselbe Ländereien und Einkünfte besaß, während die Abtei Andlau aus der Geschichte Wasselnheims verschwindet.

Besondere Rechte hatten weder Andlau noch Steige in Wasselnheim erlangt, wohl aber war dies bei der Abtei Hornbach der Fall. Dieselbe hatte in früheren Zeiten unzweifelhaft das Patronatsrecht besessen und es noch im Jahre 1208 tatsächlich ausgeübt, denn in dem genannten Jahre wurde von Papst Innozenz III ein Pfarrer zu Wasselnheim bestätigt den der Abt von Hornbach in seiner Eigenschaft als Patronatsherr  zu seiner Stelle ernannt hatte. Wenn dessen ungeachtet die Bischöfe von Straßburg in ihrem Streite mit dem Kaiser stets das Patronat für sich verlangen und in den betreffenden Urkunden auch ohne Widerrede als Patronatsherrn anerkannt werden, so lässt sich dies nur so erklären, dass sie als geistliche Oberherrn des Sprengels jenes Recht für sich in Anspruch nahmen. Die Äbte von Hornbach ihrerseits verzichteten jedoch keineswegs auf dasselbe und hörten nicht auf, die Ansprüche des Bistums zu bekämpfen. So kam endlich im Jahr 1296 ein Vertrag zu Stande durch welchen bestimmt wurde, dass das Recht, die Pfarrstelle zu besetzen von nun an zwischen beiden Teilen wechseln solle.

Außer diesem Rechte besaß die Abtei Hornbach die niedere Gerichtsbarkeit über die von ihr abhängigen Leute, das heißt das Recht, alle Vergehungen der hofhörigen Leute gegen die sie für den Dinghof  geltenden Satzungen zu ahnden. Auf den eigentümlichen Rechtsgebräuche, welche sich im Laufe der Zeit für diesen Dinghof herausbildeten , werden wir weiter unten zurückkommen.

Die öffentliche Rechtspflege mit Einschluss des Blutbannes (Gerichtsbarkeit über Leben und Tod) für das ganze Dorf und seinen Gerichtsbezirk lag dagegen in der Hand eines Vogtes, der dieselbe seit 1236 wieder im Namen des Kaisers ausübte und gleichzeitig alle übrigen kaiserlichen Rechte zu wahren hatte.

Schon vor dem letztgenannten Jahre besaß Wasselnheim einen Vogt, und das Amt war schon seit längerer Zeit in derselben Familie Erblich, die den Königshof von den deutschen Kaisern zu Lehen trug. Sie nannte sich nach ihrem Wohnort „von Wasselnheim“ und ist wohl die älteste adelige Familie, welche in Wasselnheim ansässig war. Der erste Edle dieses Namens, welcher genannt wird, ist jener Erbo von Wasselnheim, den wir oben als einen Dienstmann des Klosters Andlau kennen gelernt haben. Im 13.und 14. Jahrhundert werden häufig Glieder der Familie erwähnt und Vögte von Wasselnheim genannt. Im 13. Jahrhundert erscheinen als solche ein Dietrich von Wasselnheim der auf der Seite des Bischofs Walther von Geroldseck gegen Straßburg kämpfte ferner Dietrich, Hesso, Anselm  und Gozo, welche sich an einem Kriege des Herzogs von Lothringen gegen die Stadt Straßburg beteiligten. Im 14. Jahrhundert besaßen zwei als Wasselnheimer Vögte bezeichnete Edle von Wasselnheim Namens Hesso und Anselm das Dorf Bischofsheim als Unterlehen  des Bistums Straßburg. – Gleichzeitig finden wir aber andere Glieder der Familie im Dienste weltlicher Großen und der Stadt Straßburg. So wurde im Jahr 1332 ‚einer von Wasselnheim’ in dem Streit der Straßburger Patriziergeschlechter Müllnheim und Zorn bei einem Straßenkampf erschlagen. Im Jahr 1346 finden wir einen Wegelin von Wasselnheim im Dienste der Stadt Straßburg. Der letzte Herr von Wasselnheim, welcher erwähnt wird, ist Hans von Wasselnheim, der gleichfalls die Vogtei in Wasselnheim besaß und mit dessen Tod das Geschlecht im 15. Jahrhundert erlosch. (Wahrscheinlich 1434)

 

Durch den Vertrag von 1236 war der Streit über den Besitz Wasselnheims zwar beigelegt, aber nicht für immer aus der Welt geschafft; er lebte vielmehr sofort wieder auf, als der gewaltige Kampf zwischen Kaiser und Papst begann, der mit dem Untergang des glänzenden Herrschergeschlechts der Hohenstaufen endigte. Papst Innozenz IV, der als Kardinal Freund und Vertrauter des Kaisers gewesen, aber als Papst sein Todfeind wurde, sprach 1245 den bann über Friedrich II aus und bewirkte 1246 die Wahl des Gegenkaisers Heinrich Raspe von Thüringen. Während Friedrich selbst den Kampf in Italien führte, suchte in Deutschland sein Sohn Konrad die Gegner niederzuhalten, vermochte aber nicht, den Abfall zahlreicher Großen zu verhindern. Auch der Bischof von Straßburg Heinrich von Stahleck trat auf die Seite des Gegenkaisers und eroberte die kaiserlichen Städte und Burgen im Elsass. So zog er auch vor die Kronenburg, gewann sie nach kurzer Belagerung und ließ ihre Mauern brechen  (1246) Der Chronist sagt zwar: ‚die sleyffete er zu grunde’, allein da die Burg in späteren Urkunden erwähnt wird, so scheint ihre Zerstörung keine völlige gewesen zu sein, sondern sich hauptsächlich auf die Mauern und Türme erstreckt zu haben. Erst 1369 soll sie völlig abgetragen worden sein. Im vorigen Jahrhundert war noch der Burggraben zu sehen, während heute nur noch einige spärliche, kaum erkennbare Reste der Grundmauern vorhanden sind.

Dass der Bischof gleichzeitig die Gelegenheit benutzte, um die Herrschaft des Bistums auch wieder über Wasselnheim auszudehnen, ist nicht nur von vorneherein sehr wahrscheinlich, sondern wird auch durch verschiedene Tatsachen zur unumstößlichen Gewissheit erhoben.

Eine dieser Tatsachen finden wir in dem Umstand, dass in dem Kriege des Bischofs Walther von Geroldseck mit der Stadt Straßburg (1260-1263) der Vogt Dietrich von Wasselnheim auf der Seite des Bischofs kämpfte und sich am 7. September 1262 mit mehreren anderen Rittern für die Haltung des Waffenstillstandes verbürgte, der zum Zweck der Weinlese zwischen den feindlichen Parteien geschlossen wurde. Dietrich erschien hier als der Dienstmann des Bischofs, was mit Recht vermuten lasst, dass der letztere bereits wieder die Herrschaft über Wasselnheim besaß. – Ein weiterer, geradezu überzeugender Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme liefert der Vertrag, welchen Kaiser Rudolf von Habsburg 1274 mit dem Straßburger Bischof Konrad von Lichtenberg schloss und in welchem letzterer dem Kaiser die Hälfte des Dorfes Wasselnheim auf Lebenszeit abtrat. Dieser Vertrag hätte sicherlich gar nicht geschlossen werden können, wenn die 1236 getroffenen Bestimmungen noch in Kraft gewesen, Wasselnheim also unter dem Reiche und nicht wieder unter dem Bistum gestanden hätte.

Während des Interregnums war also für Wasselnheim der zu Beginn des Jahrhunderts bestehende Zustand wiedergekehrt, das Dorf aufs neue dem reiche entfremdet worden. Ähnliches war in allen Teilen des Reiches geschehen, da in jener schrecklichen Zeit nur das Recht des Stärkeren galt und die rohe Gewalt überall den Ausschlag gab. Rudolf von Habsburg, welcher 1273 den machtlosen Kaiserthron bestieg, suchte zwar dem Reiche das Verlorene zurückzuerobern, stieß aber allenthalben auf so hartnäckigen Widerstand, dass seine Bemühungen nur in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt waren. Auch bezüglich Wasselnheims vermochte er nicht, dasselbe zu erreichen wie seiner Zeit Friedrich Ii, denn während dieser den Ort mit allen Rechten ohne zeitliche Einschränkung an das Reich zurückgebracht hatte, musste Rudolf sich mit dem lebenslänglichen Besitze desselben begnügen und dadurch das Oberbesitzrecht des Bistums anerkennen. Die von dem Bischof dem Kaiser übergebene „Hälfte des Dorfes“ ist jedoch nicht so aufzufassen, als ob das Bistum den einen Teil des Dorfes abgetreten, den anderen aber für sich behalten hätte; vielmehr ist unter der „Hälfte“ derjenige ganze Teil des Dorfes zu verstehen, welcher nicht der Abtei Hornbach gehörte. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus einer Urkunde vom Jahr 1293, mit welcher wir uns weiter unten eingehend beschäftigen werden.

Aus der Regierungszeit Kaiser Rudolfs ist noch zu berichten, dass er im Jahr 1280 sich durch ein in der Geschichte seines Hauses sehr häufig wiederkehrendes Übel, nämlich Mangel an Geld, genötigt sah, dem Ritter Hartung von Wangen einen Teil seiner Einkünfte zu Wasselnheim zu verpfänden, da er demselben für die Hut der Oberehnheimer Burg 70 Mark Silber jährlich versprochen hatte, aber nicht im Stande war, sie zu zahlen. Im Jahr 1284 beteiligen sich die Herrn von Wasselnheim (der Vogt mit drei Brüdern oder Söhnen) an einem Kriege des Herzogs Friedrich von Lothringen gegen den Bischof Konrad von Lichtenberg und die Stadt Straßburg und fochten als Gegner des Bistums auf der Seite des Lothringers. Wodurch sie dazu veranlasst wurden, ist unbekannt. Die Straßburger, welche die Burg Ochsenstein in diesem Kriege eroberten und zerstörten, scheinen dabei übel gehaust und insbesondere des Wasselnheimern großen Schaden zugefügt zu haben. Sie mussten deshalb die Rache des Herzogs Friedrich fürchten und traten, um sie abzuwenden, in Unterhandlungen mit ihm. Das Ergebnis derselben war, dass der Herzog in einer vom Tage vor Christi Himmelfahrt 1285 datierten Urkunde den Straßburgern „für alle bis zu diesem Tage den Vögten von Wasselnheim Dietrich, Hesso, Anselm und Gotzo zugefügten Schäden und Beleidigungen“ Verzeihung gewährte.

Im Jahr 1291 starb Rudolf von Habsburg und mit seinem Tode erlosch auch der oben erwähnte Vertrag vom Jahr 1274, durch welchen ihm Wasselnheim auf Lebenszeit übertragen worden war. Rudolfs Nachfolger Adolf von Nassau musste ein neues Abkommen mit dem Bistum treffen , das nicht ohne Schwierigkeiten im Jahr 1293 zu Stande kam. Auch Adolf erlangte nicht mehr, als seiner Zeit Rudolf, denn auch ihm wurde „die Hälfte des bei der Feste Kronenburg gelegenen Dorfes Wasselnheim“ nur auf Lebenszeit zum freien und ungestörten Besitze zugestanden. Dass aber diese Hälfte von Wasselnheim eben dieselbe war, welche auch Rudolf von Habsburg 1274 erhalten und schon die früheren Kaiser besessen hatten, nicht aber ein anderer Teil von Wasselnheim, den das Bistum bis dahin sich etwa vorbehalten und nun erst dem früher abgetretenen hinzugefügt hätte, das ergibt sich klar aus den Worten der Urkunde: „Dass wir die Hälfte des Dorfes....mit demselben Rechte und auf dieselbe Weise, wie die Kaiser und Könige, unsere Vorgänger, die Hälfte des genannten Dorfes vor uns innegehabt, besitzen sollen.“ Das Bistum Straßburg trat also jedes Mal (1274 und 1293) seine sämtlichen Hoheitsrechte über Wasselnheim und nicht nur einen Teil derselben an den Kaiser ab.  – Dass seit dem Interregnum in den Urkunden immer nur die Hälfte des Dorfes genannt wird, dürfte wohl darin seinen Grund haben, dass auch die Abtei Hornbach zu größerer Macht gelangt war und sich entschieden weigerte, für ihre Besitzungen die Landeshoheit des Bischofs anzuerkennen.

Es ist zu vermuten, dass Adolf von Nassau, die ihm abgetretenen Rechte über Wasselnheim nicht einmal bis zu seinem Tode zu behaupten vermochte, denn der Bischof Konrad von Lichtenberg, der nur mit Widerstreben in den Vertrag gewilligt hatte, trat dem Kaiser bald in offener Feindschaft gegenüber und suchte auf jede Weise die Pläne seines mächtigen Gegners Albrecht von Östreich zu fördern. Dieser bestieg endlich 1298 den Thron und scheint zum Dank für die ihm geleisteten Dienste keine Ansprüche auf Wasselnheim erhoben zu haben. Es fehlt wenigstens jede Andeutung darüber.

Durch derartige Rücksichten war dagegen sein Nachfolger Heinrich VII nicht gebunden, und gleich nach seiner Erwählung auf dem Reichstage zu Frankfurt (im Jahre 1308) tat er die nötigen Schritte, um den nun schon seit einem Jahrhundert immer wieder auflebenden Streit ein- für allemal beizulegen. In Gegenwart der bedeutendsten Reichsfürsten und mit vorher eingeholter Zustimmung der Kurfürsten entschied er am 28. November des genannten Jahres – einerseits um den Bischof Johannes (von Dirpheim) von Straßburg für seine treuen Dienste und seine Anhänglichkeit zu belohnen“, andererseits „um jeden Gegenstand des Zwistes zu entfernen“ – dass das Straßburger Bistum mehrere, teils diesseits, teils jenseits des Rheines gelegene Dörfe, Flecken und Burgen mit allen bisher dem Reiche zustehenden Rechten erhalten solle, dafür aber Mülhausen und die „Hälfte des bei der Kronenburg gelegenen Dorfes Wasselnheim“ nebst allen Rechten mit Ausnahme des Patronatsrechtes an das Reich abzutreten habe.

Mit dieser äußerst günstigen Entscheidung, die 1315 von Friedrich dem Schönen bestätigt wurde, scheint das Bistum sich völlig zufrieden gegeben zu haben, denn es greift seitdem in keiner weise mehr in die Geschicke Wasselnheims ein.

 



4. Wasselnheim im 14. und 15. Jahrhundert 

Die zuletzt besprochenen Wandlungen in der Geschichte Wasselnheims bieten wie uns scheint, ein besonderes Interesse dar, insofern sie erkennen lassen, dass auch die Nachfolger Friedrichs II. auf dem Kaiserthron nicht geringen Wert auf den Besitz Wasselnheims legten und lieber eine ganze Anzahl anderer Orte als dieses eine Dorf aufgeben. Leider haben sie uns keine Rechenschaft von ihren Gründen gegeben, wir sind darum in dieser Beziehung auf Vermutungen angewiesen.

Ihr gutes Recht, das sicher gleichfalls mit ins Spiel kam, kann es alleine kaum mehr gewesen sein, was die Kaiser fast ohne Ausnahme so eifrig auf die Zurückverlangung des Ortes bedacht sein ließ; denn wir haben gesehen, dass sie unter Umständen sich auch mit dem bloß lebenslänglichen Besitze desselben begnügten. Ebenso kann die Nähe der Kronenburg dem Dorfe keine Wichtigkeit mehr verliehen haben; denn dieselbe lag seit der Mitte des Jahrhunderts in Trümmern.

Offenbar war Wasselnheim den Kaisern schon wegen seiner Größe wichtig. Obgleich es stets ein „Dorf“ (villa) und nie ein Flecken oder eine „Stadt“ (oppidum, civitas, urbs) genannt wird, weil es keine Ringmauer hatte, so war es dennoch mit Brechlingen zusammen gewiss größer und bedeutender, als mancher unter den Städten genannter Ort, und sein Besitz wurde schon der damit verbundenen Einkünfte wegen eifrig erstrebt. Dazu kam, dass es der Sitz eines ursprünglich kaiserlichen Vogtes und der Hauptort eines bedeutenden Gerichtsbezirkes war. Der letztere umfasste nicht nur Wasselnheim und Brechlingen, sondern auch die Hälfte der beiden Dörfer Friedolsheim und Ittelnheim, die schon 1236 zwischen Kaiser Friedrich II und dem Bistum Straßburg gleichmäßig geteilt worden waren. Die Bedeutung des Ortes wurde ferner noch dadurch erhöht, dass sich zwei Dinghöfe hier befanden, und der eine, der Königshof, von Alters her und von Rechts wegen Eigentum des Reichsoberhauptes war.

Endlichmuss das Schloss, wenn es bereits vorhanden war, allein schon hingereicht haben, Wasselnheim in den Augen der Kaiser als einen der begehrungswürdigen Orte im Elsass erscheinen zu lassen; denn die Chroniken berichten von ihm, dass es an Stärke seines Gleichen suchte und fast für uneinnehmbar galt: „des schlosz glychen was in diezem land nit gesehen.“ ((Straßb.Archiv-Chronik, S. 180, Code hist. Et dipl. de la v.d. St. Bd.II). Es besaß fünf mächtige große und zweiundzwanzig kleinere Türme und war mit einem tiefen Graben umgeben. (Dass der Graben stets mit Wasser gefüllt gewesen sei, wie Fischer in Geschichte des Amtes Wasselnheim angibt, ist sehr unwahrscheinlich, da kein Wasserlauf sich in der Nähe befindet, der zur Füllung hätte benutzt werden können. Insbesondere konnte das Wasser des Kotbaches dazu nicht verwendet werden, da das Bett des Baches bedeutend tiefer als der Schlossgraben liegt und zudem ziemlich weit davon entfernt ist. – Auch der Sage, dass das Schloss durch einen unterirdischen Gang mit der Kronenburg verbunden gewesen sei, liegt nichts tatsächliches zu Grunde.) Allein wir müssen sogleich hinzufügen, dass verschiedene Gründe daran zweifeln lassen, ob die Burg um jene Zeit überhaupt schon erbaut war. In keiner Urkunde des ^13. Jahrhunderts wird das Vorhandensein derselben nämlich erwähnt oder auch nur angedeutet, was bei der geschilderten Stärke und Wichtigkeit des Bauwerkes geradezu unbegreiflich wäre, wenn seine Entstehung in jenes Jahrhundert fiele. Ebenso wenig nennen die zahlreichen elsässischen Chroniken das Schloss vor Beginn des 15. Jahrhunderts. Obgleich es an Veranlassung dazu durchaus nicht fehlte. Die Nichterwähnung einer so mächtigen Feste erscheint aber um so auffallender, da die weniger bedeutende Kronenburg selbst nach ihrer Zerstörung noch in den Urkunden und Chroniken wiederholt zur genauen Bezeichnung der Lage Wasselnheims genannt wird. Endlich würde auch gerade dieses Letztere gar nicht nötig gewesen sein, wenn der Ort selbst schon damals durch die später so berühmte Burg eine so hervorragende Bedeutung besessen hätte. Alle diese Gründe nötigen uns zu der Annahme, dass die Entstehung des Schlosses wohl nicht vor Beginn des 14. Jahrhunderts zu setzen ist. Das Jahr der Erbauung zu bestimmen ist leider nicht möglich, da es an den nötigen Unterlagen hierzu fehlt.

Das eifrige Streben der Kaiser nach dem Besitze Wasselnheims beweist also unter allen Umständen, dass der Ort im Laufe der Zeit zu einem bedeutenden Gemeinwesen angewachsen war. Auch waren einzelne seiner Bewohner zu namhafter Stellung gelangt. Die Edeln von Wasselnheim haben wir schon oben erwähnt. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts erscheint neben ihnen eine andere adelige Familie, welche sich Haffner von Wasselnheim nennt und im Dienste des Bistums Straßburg steht. Aus derselben ging eine Reihe von angesehenen Rittern und hochgestellten Geistlichen Hervor. Der erste, dessen Dasein durch Urkunden verbürgt ist, war Hans Haffner, Dienstmann der Straßburger Kirche zu Anfang des 14. Jahrhunderts. Im Jahr 1358 wird ein Wilhelm Haffner erwähnt und ‚strenuus miles’ (tapferer Ritter) genannt. Bechthold Haffner begleitete den Kaiser Rupprecht von der Pfalz 1401 nach Italien und fiel daselbst vor Pisa. Ein Wilhelm Haffner war von 1393 bis 1428 Abt des Klosters Murbach und gehörte als solcher dem Stande der Reichsfürsten an. Andere Haffner waren Mitbesitzer der Burg Freudeneck, bis Wolfgang Haffner seinen Anteil im Jahre 1540 an die Herren von Bock verkaufte.

So war Wasselnheim also den Kaisern wichtig wegen seiner Größe und wegen des Königsgutes, das hier lag; es war bedeutend als Hauptort eines ausgedehnten Gerichtsbezirkes und als Sitz angesehener adeliger Geschlechter.



Nicht lange stand jedoch der mit so großer Mühe dem Reiche zurückerworbene Teil Wasselnheims, um den es sich in dem Streit zwischen Kaiser und Bistum handelte, unter der unmittelbaren Herrschaft des Reiches, sondern wurde, wenigstens zum Teil, als Lehen an angesehene Große gegeben. Wann und warum dies geschah vermögen wir nicht mit Bestimmtheit zu sagen, da es an genaueren Angaben hierüber fehlt.  Die Ersten, welchen das Lehen zu Teil ward, scheinen die Dynasten von Finstingen gewesen zu sein, denn am Sonntag Lätare des Jahres 1360 unterzeichneten Hugo und Heinrich von Finstingen ein Dokument, durch welches sie Wasselnheim als ein ihnen von Rechts wegen zugefallenes Lehen ihren beiden Vettern Burkhart und Ulrich von Finstingen übergaben. Von wem ihnen das Lehen zugefallen war, ist in der Quelle nicht gesagt, vermutlich hatte es ihr Vater oder ein anderer Herr von Finstingen bis dahin besessen, dem es selbstverständlich seiner Zeit vom Kaiser übertragen worden war. Es ist indessen gar nicht unwahrscheinlich, dass die Dynasten von Finstingen schon vor dem Jahr 1208 vom Straßburger Stifte mit einem Teile von Wasselnheim belehnt waren; denn sie gehörten zu den bedeutendsten Vasallen des Bistums und Urkunden aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts berichten, dass sie u.A. mehrere Lehen zwischen dem Eckenbach und der Zorn, sowie die Hälfte des Dorfes Wolheim und Dahlenheim von dem Bistum besaßen.

Ist unsere Vermutung, wie wir glauben, begründet, so erklärt es sich auf die einfachste Weise, weshalb wir später die Finstinger im Besitze eines Teils von Wasselnheim finden; beim Übergang des Ortes an das Reich erhielten sie vom Kaiser die Bestätigung ihrer Rechte und Besitzungen daselbst und wurden dadurch aus bischöflichen zu Reichsvasallen.

Burkhart und Ulrich zu Finstingen oder ihre Nachfolger übertrugen aber ihren Anteil von Wasselnheim wiederum als Unterlehen des Edlen von Wasselnheim, die seit 1308 wieder als kaiserliche Vögte den Ort verwalten. Dieses Finstingische Besitztum umfasste jedoch nicht die ganze kaiserliche Hälfte des Dorfes, sondern nur einen Teil davon. Das ergibt sich aus einer Urkunde vom Jahre 1409, in welcher Dietrich von Wasselnheim erklärt, dass das Finstingsche Unterlehen sich über Elbersweiler, Wasselnheim, Brechlingen und die Hälfte der Gerichts erstrecke, während die andere Hälfte des Gerichts und der königliche Hof nebst seinen Renten und Gefällen unmittelbares Reichslehen seien und der obere Dinghof der Abtei Hornbach gehöre.

So besaßen also die Vögte von Wasselnheim im 14. Jahrhundert die dem Reich zustehende Hälfte des Ortes zum Teil als Finstingisches Unterlehen, zum Teil aber als unmittelbares Reichslehen. Dieses Verhältnis währte bis ins zweite Viertel des 15. Jahrhunderts, wo das Geschlecht der Herren von Wasselnheim im Mannesstamm erlosch. Der letzte männliche Sprössling der Familie, welcher erwähnt wird, ist Johannes von Wasselnheim. Er starb wahrscheinlich 1434 und hinterließ eine Tochter, die mit Friedrich von Thann vermählt war. Dieser letztere gehörte einem alten adeligen Geschlecht an, das seinen Namen von dem Schlosse Dhan oder Dhann an der Quelle der Lauter bei dem heutigen Dorfe Dahn in der Rheinpfalz führte. Er war der Sohn Walthers von Thann, der 1410 von dem Pfalzgrafen Ludwig zum Unterlandvogt im Elsass ernannt worden war.

Nach dem Tode des genannten letzten Edlen von Wasselnheim wurde sein Schwiegersohn, Friedrich von Thann 1434 zu Basel von Kaiser Sigismund mit Wasselnheim belehnt. Er erhielt das Schultheißenamt (früher Vogtei) zu Wasselnheim nebst verschiedenen damit verbundenen Gefällen, ferner den niederen Dinghof oder Königshof und das halbe Gericht in den Dörfern Friedolsheim und Ittelnheim, also dieselben Rechte und Besitzungen, welche 1409 als unmittelbares Reichslehen bezeichnet werden. Es erhellt hieraus, dass das finstingische Lehen in der von Sigismund erteilten Belehnung nicht mit einbegriffen war. Wäre Letzteres der Fall gewesen, so müsste dem Belehnten nicht das halbe, sondern das ganze Gericht zuteil geworden sein; auch könnte in den elsässischen Chroniken jener Zeit nicht wiederholt noch später Wasselnheim ein Lehen der Herren von Finstingen genannt werden. Offenbar war das finstingische Unterlehen 1434 an die Dynasten von Finstingen zurückgefallen, wurde aber von ihnen an Friedrich von Thann und nach dessen Tod seinen Nachfolgern übertragen, so dass auch nach dem Aussterben der Herrn von Wasselnheim das alte Verhältnis fortbestand. So erklärt sich auch am natürlichsten die spätere enge Verbindung des Dynasten Johann von Finstingen mit den Herren von Thann, die den letzteren, wie wir sogleich sehen werden, höchst verhängnisvoll werden sollte.   

Im Jahre 1442, nachdem Friedrich von Thann gestorben war, wurden nämlich seine beiden Söhne Walther und Gottfried von Kaiser Friedrich III mit denselben Rechten und Besitzungen zu Wasselnheim belehnt, welche ihr Vater als Reichslehen inne gehabt hatte. Ebenso erhielten sie, wie wir soeben nachgewiesen, das finstingische Unterlehen von dem damaligen Dynasten Johann von Finstingen, ließen sich aber bald darauf durch denselben verleiten, an einem Kriege gegen Straßburg teilzunehmen, der die Einnahme und Zerstörung des Wasselnheimer Schlosses durch ihre Gegner zur Folge hatte.

Dieses unter dem Namen „der Wasselnheimer Krieg“ bekannte und von den Chroniken ausführlich erzählte Ereignis wurde hauptsächlich dadurch herbei geführt, dass Johann von Finstingen gleich vielen anderen Adeligen den Armagnaken bei ihrem Einfall in das Elsass (1444-1445) hilfreiche Hand bot. Schon 1439 hatte er 6000 sogenannte Engländer (französische Abenteurer, die gegen die Engländer gefochten hatten, hierauf aber von dem Herzog von Lothringen in Dienst genommen worden waren ) über die Zaberner Steige in das Elsass geführt. Dieselben hatten  mehrere Wochen lang das Land verwüstet und waren dann nach Lothringen zurückgezogen. Ein ähnliches Vergehen ließ er sich fünf Jahre später beim Einfall der eigentlichen Armagnaken zu Schulden kommen. Am 21. September 1444 führte er 4000 derselben unter ihrem Hauptmann Matteko oder Metelle die Windenberger Steige herab in das Land und besetzte die Dörfer Marlenheim, Ballbronn, Scharrachbergheim und Bergbieten mit ihnen. Wasselnheim verschonte er offenbar absichtlich, denn dasselbe würde mit Ausnahme des Schlosses noch leichter als einige der genannten Orte zu besetzen gewesen sein, da es durch keine Mauern geschützt war. Auch diese Tatsache spricht dafür, dass ein Teil von Wasselnheim damals noch finstingisches Lehen war. – Wir wollen hier gleich bemerken, dass Wasselnheim auch sonst in den Chroniken nicht erwähnt wird, wo von den schrecklichen Verwüstungen der Armagnaken  die Rede ist; man würde aber zu weit gehen, wenn man deshalb annehmen wollte, dass es gänzlich verschont geblieben wäre. Es hatte sicherlich viel zu leiden, da es an einer vielbenutzten, wichtigen Straße lag und ohne Mauern und Tore jedem Abenteurerhaufen offen stand. Von Walther von Thann wird zwar berichtet, dass er vom Schlosse aus verschiedene glückliche Ausfälle gegen die Feinde unternommen habe; allein der großen Übermacht gegenüber hatten dieselben wenig zu bedeuten.

Nachdem Johann von Finstingen seine schlimmen Gäste in den genannten Dörfer untergebracht hatte, begab er sich zu dem Dauphin Ludwig und häufte das Maß seiner Schuld noch durch Kundschafterdienste, die er demselben leistete. Durch dieses Verhalten lud er den Zorn aller Vaterlandsfreunde auf sich, und kaum hatten die Räuberscharen das  Land verlassen, als sich die Städte mit dem national Adel verbanden, um an ihm und allen Übrigen, welche den Feind auf irgend eine Weise unterstützt hatten, strenge Vergeltung zu üben. Die Straßburger, welchen Johann von Finstingen schon früher grund zur Unzufriedenheit gegeben hatte, richteten zuerst ihre Waffen gegen ihn, indem sie gemeinschaftlich mit dem Grafen von Lützelburg und dem Landvogt in sein Gebiet fielen und ihm neun Dörfer verbrannten.

Um Rache dafür zu nehmen, verband sich Johann, der alle Zeichen eines Raubritters der schlimmsten Sorte an sich trägt, mit seinen Lehensträgern Walther und Gottfried von Thann und fügte der Stadt Straßburg (und dem Domkapitel) großen Schaden zu, indem er nun seinerseits ihr Gebiet verwüstete, das Vieh wegtrieb und die Dörfer nieder brannte. Er wurde dabei noch von dem Straßburger Bischof Ruprecht von der Pfalz unterstützt, der teils aus Abneigung gegen die Stadt und das Domkapitel, teils aus Vorliebe für Gottfried von Thann, dessen Vormund er war, den drei verbündeten freien Ein- und Ausgang in seinen Burgen gestattete. Mit welchem Übermut die Gegner der Stadt und des Kapitels verfuhren, zeigen folgende Vorfälle. Im Herbst 1447 fiel Johann von Finstingen in die Wanzenau ein, raubte das Vieh von der Weide und trieb es nach Diemeringen, ließ aber den Straßburgern durch Walther von Thann sagen, dass er zur Rückgabe alles dessen bereit sei, was den Bürgern gehöre. Als man  jedoch Knechte zu ihm sandte, lieferte er ihnen nicht nur das Vieh nicht aus, sondern schickte die Boten auch noch mit Spott und Hohn nach Hause. -  Eine anderer Tatvon wehrhaft grauenerregender Verwegenheit und Rohheit verübte etwa um dieselbe zeit oder bald darauf ein Haffner von Wasselnheim, der als Vasall des Bischofs gleichfalls auf der Seite des Finstingers stand. Von einem Knechte begleitet, kam er gegen Abend nach Straßburg und drang in die Trinkstube der Bäckerzunft, wo er einen Zunftgesellen mit dem Kopf auf dem Tisch liegend und schlafend fand. Ohne jede Veranlassung zog er sein Schwert und schlug dem Armen mit einem Hiebe den Kopf ab, warf sich dann auf sein Pferd und entkam, ehe man in der Stadt noch recht wusste, was geschehen war.   

In Straßburg beschloss man, diesem Unfug auf jede Weise ein Ende zu machen, zunächst aber noch einmal ein gütliches Mittel zu versuchen, ehe man zur Waffengewalt seine Zuflucht nehme. Zu diesem Zwecke verschaffte sich der Ammeister Jakob von Wurmser eine Unterredung mit Walther von Thann, welcher der schlimmste „Helfer“ Johanns von Finstingen war, und stellte ihm das Ungehörige seiner Handlungsweise vor. Walther versprach in allgemeinen Ausdrücken besseres Verhalten für die Zukunft, der Ammeister aber, der eine bestimmte Zusage verlangte, fragte: „Quando?“ (zu deutsch: Wann?) Bei diesem Worte sprang Walther, scheinbar aufs höchste erschreckt, zurück, fing an zu zittern und schrie: „Gott behüte mich!“ in dem er zugleich im Zimmer hin- und herlief, als ob er nach einem Versteck oder Ausweg suchte. Der Ammeister, anfangs selber außer Fassung gebracht, fragte ihn endlich nach dem Grund seines seltsamen Benehmens, worauf Walther antwortete, er habe immer gehört, wenn die Bauern anfingen Latein zu reden, so wären sie entweder blödsinnig oder verrückt. Ergrimmt über diese neue Beschimpfung, kehrte Wurmser nach Straßburg zurück, und der Krieg wurde beschlossen. Dies geschah zu Anfang des Jahres 1448.

Da die Zünfte und insbesondere die Bäckerzunft auf baldige Ausführung des Beschlusses drangen, so zog man zum ersten Mal an Freitag vor Palmsonntag in voller Rüstung, mit Wagen und Belagerungsgeräten aus, kehrte aber schon an demselben Tage wieder zurück, ohne Wasselnheim gesehen zu haben, da der aus Söldnern bestehende Vortrab eine Niederlage erlitten hatteund man dies als eine schlimme Vorbedeutung für das Gelingen des Unternehmens ansah. Nicht glücklicher war ein zweiter Zug, der am Freitag vor Pfingsten unternommen wurde. Einer der Straßburger Hauptleute, Heinrich von Müllnheim, der schon seit einiger Zeit mit Söldnern und Fußknechten zu Marlenheim lag, um die Wasselnheimer von weiteren Einfällen in das Straßburger Gebiet abzuhalten, verlangte eine Verstärkung von 200 Schützen, weil er einen Sturm der Gegner auf Marlenheim fürchtete. Die Stadt schickte aber 1500 Mann. Als diese nun nach Osthofen kamen, sagte man ihnen, dass man sie nicht nötig habe, und wollte sie wieder nach Hause schicken. Das verdross jedoch die kampflustigen Bürger so, dass 600 von ihnen den Vorgesetzten  den Gehorsam aufkündigten und erklärten, auf eigene Hand einen Angriff auf Wasselnheim unternehmen zu wollen. Nur mit Mühe konnte die mehrere Tage dauernde Aufruhr gedämpft und das Volk zur Rückkehr bewogen werden.

Zum drittenmal zog man endlich am Dienstag vor St. Urbanstag (21.Mai) wieder mit voller Kriegsrüstung aus und gelangte diesmal nicht nucht nur bis Wasselnheim, sondern begann auch sofort am folgenden Tage die Belagerung des Schlosses. Mit „Schießen und Werfen“ setzte man demselben so zu, dass in kurzer Zeit die fünf großen Türme niedergelegt waren. Aber die Verteidiger des Schlosses ließen es an tapferer Gegenwehr nicht fehlen, und da bald weitere ungünstige Umstände sich hinzu gesellten, so konnte auch diesmal das Ziel nicht völlig erreicht werden. Nachdem die Belagerung nämlich schon siebzehn Tage gewährt hatte, traf die Nachricht ein, dass Johann von Finstingen im Verein mit dem Bischof Rupprecht über 3000 Reiter angeworben habe und die Straßburger von der Stadt abzuschneiden gedenke. Es wurde deshalb beschlossen, die Belagerung aufzuheben und nach Hause zurückzukehren (7. Juni). Vier Tage nach dem Abzug der Straßburger kam Johann von Finstingen wirklich mit 1500 Pferden an; da er aber die Feinde nicht mehr vorfand, legte er seine Truppen in die nächsten bischöflichen Dörfer, wo sie nach Eillkür hausten. Die Einwohner beklagten sich darüber bitter beim Bischof, und dieser gab den Befehl, die Tore der Burgen und Dörfer zu schließen und den unwillkommenen Gästen keinen Eingang mehr zu gestatten. Darüber wurden die letzteren so erbost, dass sie bei ihrem Abzug mehrere Dörfer plünderten und nieder brannten.

Die beiden Brüder Walther und Gottfried von Thann waren wohl der Ansicht, dass die Straßburger keinen neuen Eroberungsversuch mehr unternehmen würden, und entließen den größten Teil der Besatzung. So kam es, dass Gottfried; der im Schlosse zurückblieb, nur neun Reisige und 40 Bauern zur Verfügung hatte, als die Feinde am 24. Juni aufs neue vor der Burg erschienen, um das begonnene Werk zu vollenden. Die kleine Besatzung wehrte sich zwar aufs tapferste, konnte aber der Übermacht nicht lange Stand halten. Nachdem Meister Graseck, der Stadt Werkmeister, „189 würff mit ketten und mit steinen“ in die Burg getan hatte und es den Belagerern außerdem gelungen war, die Ringmauer an zwei Stellen zu untergraben, musste die Verteidiger das Schloss am vierten Tage übergeben, erhielten aber die Erlaubnis mit ihrer Habe frei abzuziehen. Der Sage nach hätten die Straßburger die Übergabe noch dadurch beschleunigt, dass sie Tonnen mit sogenanntem „Ulmer Grün“ (Unrat) gefüllt und in das Schloss geschleudert hätten, wodurch der Aufenthalt darin geradezu unmöglich gemacht wurde.

Gottfried von Thann musste sich durch notariellen Akt und körperlichen Eid verpflichten, des Schloss es wegen nie einen einen Anspruch an die die Stadt Straßburg zu machen, und ritt dann weinend zum Tore hinaus, „Dan“ sagt der Chronist, „das schlosz auff den Tag 30.000 gulden wert was.“ Nun wurden die Mauern und Türme gänzlich abgebrochen und geschleift und da über 600 Mann daran arbeiteten, so war das Werk in wenigen Tagen vollbracht. Darauf zogen die Sieger triumphierend in die Stadt zurück, vergaßen aber nicht, noch drei große Glocken mitzunehmen, die sie erst 1455 wieder zurückgaben. Die Bäckerzunft verherrlichte den Kriegszug durch einen Reimspruch in ihrer Trinkstube, der noch im vorigen Jahrhundert zu sehen war.

So hatten Walther und Gottfried von Tann durch eigene Schuld den Verlust ihres reichen Erbes herbeigeführt, denn die Eroberung des Schlosses machte die Straßburger auch zu Herren des Dorfes Wasselnheim selber.

Walther trat in die Dienste des Bischofs von Straßburg und wurde Amtmann, (das heißt Schultheiß oder Vogt) zu Markolsheim (südöstlich von Schlettstadt) ließ aber auch in dieser Stellung sein Freibeuterleben nicht, wie er denn zum Beispiel im Jahre 1454 eine junge reiche Braut, die mit zahlreichem und prächtigem Geleite von Breisach nach Colmar reiste, überfiel und samt dem ganzen Zuge gefangen nahm, alle Personen des Geldes und der Kostbarkeiten beraubte und dann auf die Hohekönigsburg (bei Schlettstadt) brachte, wo sie erst nach langer Zeit durch die vereinigten Bürger von Straßburg, Colmar und Schlettstadt befreit wurden. Was Gottfried von Thann nach der Eroberung des Wasselnheimer Schlosses begann, wird uns nicht berichtet.

Beide Brüder fanden aber, wie früher im Glück, so nun auch im Unglück, einen kräftigen Beschützer an dem Bischof Rupprecht von Straßburg. Derselbe söhnte sich bald nach der Eroberung Wasselnheims mit der Stadt und dem Domkapitel aus, indem er ihnen gegen eine Entschädigung von 8000 Gulden sämtliche Schlösser des Bistums zum freien Ein- und Ausgang zu jeder Zeit öffnete und sich verpflichtete, keinen Gegner der Stadt mehr darin aufzunehmen. Dann begann er auch wegen der Rückgabe Wasselnheims zu unterhandeln, und brachte endlich einen Vertrag zu Stande, durch welchen die beiden Brüder wieder in ihr Eigentum eingesetzt wurden. Dies muss wohl vor dem Jahre 1456 geschehen sein, denn es wird uns berichtet, dass in diesem Jahre zwischen Walther von Thann und Johann von Wangen ein Burgfrieden zu Wangenburg geschlossen wurde, was nicht wohl hätte geschehen können, wenn der erstere sich nicht  wieder im Besitze Wasselnheims befunden hätte.

Derselbe Bischof Rupprecht war es wohl auch, der den Herren von Thann zwei Bannmühlen bei Wasselnheim, die eine bei der „niederen Brück“, die andere im „Entenpfuhl“ gelegen, als Lehen übertrug.

Welche Mühlen damit gemeint sind, hat nicht festgestellt werden können. Sie gehörten offenbar zu jenen Lehensgütern, von welchen schon im Jahre 1236 bestimmt wurde, dass sie dem Bistum bei der Rückgabe Wasselnheims an das Reich verbleiben sollten. Als der letzte Edle von Thann im Jahre 1483 starb, kamen sie an die Herren von Rathsamhausen zum Stein, denen sie bis zum Aussterben der Familie verblieben.

Bald wurde auch das Wasselnheimer Schloss wieder aufgebaut, und zwar, wie noch vorhandene Abbildungen beweisen, in kreisförmiger Gestalt. Mitten im Schlosshofe stand ein hoher, viereckiger Turm, links davon (vom Eingang aus gesehen) das Wohngebäude, dessen vordere Giebelseite durch einen runden Turm geschützt war. Auf der rechten Seite des Schlosshofes standen längs der Mauer die Stallungen, Scheunen und andere Wirtschaftsgebäude. Der ganze Hofraum war mit einer dreifachen Mauer umgeben, zwischen der mittleren und äußersten Mauer befand sich ein breiter und tiefer Graben, und ein eben solcher lief außerhalb der äußersten Mauer um die ganze Anlage herum. Die mittlere Mauer war mit einem hohen und mächtigen runden und drei weniger hohen halbrunde, die äußersten Mauer mit acht gleichfalls halbrunden Türmen versehen, während die innerste Mauer keine Türme hatte. Endlich standen noch zu beiden Seiten des Eingangs zwei runde Türme von fast gleicher Höhe wie die halbrunden, so dass das Schloss bei einer dreifachen Ringmauer im ganzen 16 Türme besaß und einen gewaltigen Eindruck machen musste.

Von den beiden Brüdern Walther und Gottfried von Thann scheint der jüngere (Gottfried) den älteren überlebt und das Schloss nebst den übrigen Besitzungen seinem Sohne Friedrich, dem letzten seines Geschlechts, hinterlassen zu haben. Von ihm (Friedrich) wissen wir nichts weiter, als dass er außer dem Reichslehen Wasselnheim noch mehrere kleine Lehen vom Bistum Straßburg und der Herrschaft Geroldseck am Wasichen besaß und im Jahre 1483 starb.

Er hinterließ keine Söhne, wahrscheinlich aber auch keine Töchter. Nach seinem Tode finden wir nämlich Wasselnheim im Besitz des Unterlandvogtes Götz von Adolsheim (Adelsheim). Derselbe gehörte einem aus Kurpfalz stammenden Adelsgeschlecht an, dessen Stammsitz sich ursprünglich in dem heute zu Baden gehörenden Dorfe Adelsheim (bei Mosbach) befand. Er war 1458 von dem mit der elsässischen Landvogtei bekleideten Kurfürsten Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz zum Unterlandvogt in Hagenau ernannt und 1483 vom Kaiser mit Wasselnheim belehnt worden. Bei der unbedingten Herrschaft des Erbrechtes bezüglich der Lehen dürfen wir als sicher annehmen, dass Götz in Folge verwandtschaftlicher Verhältnisse der Nächstberechtigte zum Besitze Wasselnheims war, offenbar also eine Edle von Thann zur Gemahlin hatte. Dieselbe kann aber nicht gut eine Tochter Friedrichs von Thann gewesen sein, da dieser allem Anscheine nach in ziemlich jungen Jahren starb, Götz aber - schon seit 1458 Unterlandvogt – bei Friedrichs Tod bereits ein bejahrter Mann war. Wahrscheinlich war er also mit der ältesten Schwester Friedrichs von Thann vermählt. Eine Verwandte von ihr, vielleicht eine jüngere Schwester, Margaretha von Thann, war an Heinrich von Lützelburg, Statthalter zu Saarburg, verheiratet und hatte ihrem Gemahl als Heiratsgut unter anderem den Burgsitz (Wohnungsrecht) mit Behausung und Stallung in dem Schlosse zu Wasselnheim nebst einem Garten außerhalb des Schlosses sowie verschiedene Einkünfte (Fruchtzehnten und etlichen Fuder Weins) zugebracht. Ein wegen dieser Berechtigung zwischen beiden Familien ausgebrochener Streit wurde 1489 durch Vertrauensmänner geschlichtet.

Götz von Adolsheim oder Adelsheim scheint, nachdem er Besitzer von Wasselnheim geworden, das Schloss nicht selbst bewohnt, sondern seinen drei Söhnen Zeisolf, Georg und Stephan übergeben zu haben; denn in dem soeben erwähnten Streit mit Heinrich von Lützelburg erscheint Zeisolf, der älteste Sohn der Familie und handelt im Namen seiner Brüder.

Nach dem Tode des Götz wurden 1494 seine drei Söhne von Kaiser Maximilian mit Wasselnheim nebst allem Zubehör belehnt. Sie besaßen dasselbe indessen nicht lange; denn schon zwei Jahre später verkauften sie der Stadt Straßburg für 7000 Gulden das ganze Besitztum, nämlich das Wasselnheimer Schloss und die Dörfer Wasselnheim und Brechlingen sowie die Hälfte der Dörfer Friedolsheim und Ittelnheim mit Ausnahme der dem Abt von Hornbach zustehenden Besitzungen und Rechte sowie des oben erwähnten Burglehens, das Heinrich von Lützelburg daselbst besaß. Die Erlaubnis zu diesem Verkauf war 1495 beim Kaiser nachgesucht und von ihm unter der doppelten Bedingung erteilt worden, erstens das die Herren von Adelsheim innerhalb eines Vierteljahres nach stattgefundenem Verkauf 2000 Gulden von der Kaufsumme zum Ankauf anderer Güter zu verwenden hätten, die ihnen und ihren Nachkommen als neues Reichslehen vom Kaiser übertragen werden sollten; zweitens, dass die Herrschaft Wasselnheim auch in Zukunft ein Reichslehen verbleibe, und dass die Stadt Straßburg „einen edlen, rittermäßig geborenen Mann“ abordne, der als ihr Lehensträger das Schloss Wasselnheim mit den dazugehörigen Dörfern, Gilden und Rechten aus der Hand des Kaisers als Lehen empfange und an Stelle der Stadt den Lehenseid leiste. Dieser letzteren Bedingung entsprechend bestellte die Stadt Straßburg nach Abschluss des Kaufvertrages den Ritter Friedrich Bock zu ihrem Lehensträger, während der Kaiser den Domscholasten oder „Schulherren“ Grafen Heinrich von Hennenberg beauftragte, in seinem Namen der Stadt den Lehenseid abzunehmen. Dies geschah im Jahre 1496 und Wasselnheim ging damit an die Stadt Straßburg über. Dieselbe ernannte den einem alten Straßburger Patriziergeschlecht entstammende Georg Max von Eckwersheim zum Amtmann von Wasselnheim, der an Stelle der früheren Vögte fortan die Verwaltung und Rechtspflege der neu erworbenen Herrschaft leitete.

Im Laufe des folgenden Jahrzehnts gelang es der Stadt, auch diejenigen Berechtigungen abzulösen, die einzelnen Familien noch im Wasselnheimer Schlosse oder dem Dorfe zustanden. Im Jahre 1500 trat ihr der in ihrem Dienste stehende Ritter Matthias Pfaffenlapp  von Still (bei Mutzig) seine Güter und Gerechtsamen, die er daselbst besaß. Und die seine vorfahren wahrscheinlich einst vom Bistium Straßburg erhalten hatten und im Jahre 1506 verkaufte auch Heinrich von Lützelburg seine sämtlichen oben erwähnten Besitzungen und Rechte um die Summe von 1100 Gulden an die Stadt, so dass diese von nun als alleinige Inhaberin der Herrschaft Wasselnheim erscheint, abgesehen freilich von den Gütern und Gerechtsamen, welche die Abtei Hornbach seit Jahrhunderten daselbst besaß.

So sehen wir denn an der Schwelle eines neuen, von großen Ideen bewegten und von gewaltigen Kämpfen erschütterten Jahrhunderts, das einen neuen Zeitabschnitt in der Weltgeschichte bezeichnet, auch für Wasselnheim eine neue Ordnung der Dinge beginnen, welche diesem Gemeinwesen in vielfachem Gegensatz zu den Zuständen des Gesamtreiches auf eine lange Reihe von Jahren hinaus ruhe und Stetigkeit der freiheitlichen Entwicklung, sowie Sicherheit und Frieden nach innen und außen verschafft und darum nach verschiedenen Seiten hin eine segensreiche genannt werden darf.   

  

Gemeindeverfassung Wasselnheims im Mittelalter

Zu unserer Untersuchung über die Geschichte Wasselnheims im Mittelalter haben wir den Nachweis geführt, dass Wasselnheim mit Einschluss Brechlingens stets ein reichsunmittelbares Dorf war, dass es zwar zeitweilig (zu Beginn des 13. Jahrhunderts) durch das Straßburger Bistum dem Reiche entfremdet wurde, demselben aber bald wieder ohne alle Einschränkungen zurückgegeben werden musste (zum ersten Male bereits 1236, zum zweiten Male endgültig und dauernd 1308) Wir haben ferner gesehen, dass Wasselnheim als Reichslehen in den Besitz verschiedener adeliger Familien gelangte und endlich 1496 von den Edlen von Adelsheim an die Stadt Straßburg abgetreten wurde. Ehe wir die Schicksale des Ortes weiter verfolgen, müssen wir nun einen Blick auf die bisher nur flüchtig berührten inneren Zustände desselben während des Mittelalters werfen.



a) Gemeindeverfassung vor Karl dem Großen

Durch die Stürme der Völkerwanderung war die bei Wasselnheim gegründete römische Ansiedelung vernichtet worden, und Germanen (Alemannen, später vielleicht auch einzelne Franken) saßen seitdem als Herren in dem eroberten Dorfe. Die übriggebliebenen Gallo-Romanen bauten den ihn überlassenen Teil der Felsmark als hörige Zinsbauern oder gar als unfreie Knechte (Leibeigene?) ihrer Besieger. Aber auch von diesen Letzteren vermochten nur wenige in der Folgezeit die volle Freiheit zu bewahren; wie anderwärts, so wurden auch hier die meisten der freien Bauernteils durch die Entwicklung der polit6ischen Zustände des gesamten fränkischen Reiches, teils durch absichtlich geübten, unerträglichen Druck von Seiten mächtiger Großen allmählich in den Stand der Hörigkeit gedrängt, indem sie genötigt wurden, ihre bis dahin als freies Eigentum besessenen Gütereinem weltlichen oder geistlichen Großen zu übertragen und denselben als Grund- und Schutzherren anzuerkennen.

Ein Teil der auf solche Weise in der Hand eines Einzigen vereinigter Güter wurde gewöhnlich zu einem großen geschlossenen Hofgute, den Fron- oder Herrenhof zusammengefasst, der andere Teil aber den früheren Eigentümern als Lehns- oder Zinsgüter zurückgegeben und zum Fronhof in das Verhältnis von Dependentien, das heißt von rechtlich dazugehörenden Teilen,  gestellt. Im ersten Falle behielten die Bauern entweder noch ihre Wohnung (aber ohne Gut: casati, Kossaten, Kötter), oder sie mussten auch diese aufgeben und auf den Fronhof übersiedeln; im andern Falle blieben sie im Besitz sowohl der Wohnung als auch des Gutes, mussten sich aber zu gewissen jährlichen Abgaben (gewöhnlich in Naturalien, seltener in Geld) und Dienstleistungen verpflichten. In beiden Fällen verloren sie die Rechte der Vollfreien und wurden „hörige (hofhörige und grundhörige) Hintersassen des betreffenden Grundherren.

Auch in Wasselnheim traten im Laufe der Jahrhunderte ähnliche Zustände ein; denn um die Mitte des 8. Jahrhunderts befand sich, wie wir gesehen haben, fast die Hälfte des damaligen Dorfes nebst den dazugehörigen Gütern im Besitz der Gräfin Adala und wurde von ihr 754 an das Kloster Hornbach verschenkt. Die mitverschenkten Bauern scheinen fast lauter Unfreie (Leibeigene) gewesen zu sein, denn nur von solchen ist in der Schenkungsurkunde die Rede. – Der größte Teil der anderen Dorfhälfte gehörte dem Königshofe, und da dessen Leute gleichfalls hörig oder unfrei waren, so ergibt sich selbst, dass die Zahl der freien Bauern nur noch sehr gering gewesen sein kann. Immerhin scheinen sich einige derselben neben den beiden Herren- oder Fronhöfen behauptet zu haben. Denn Wald und Weide bis auf wenige Wiesen blieben, wie aus den vorhandenen Weistümern erhellt, fortwährend ungeteilt im Besitze der gesamten Einwohnerschaft, und jedem Teile der letzteren lag bezüglich der ganzen Dorfmark bis ins spätere Mittelalter hinein die Erfüllung besonderer, auf Gegenseitigkeit beruhender Pflichten ob. Diese wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn der Stand der freien Bauern gänzlich verschwunden und damit jedes Mittelglied zwischen den beiden Grundherrschaften weggefallen wäre.  Vielleicht sind aus diesen wenigen freien Bauern, die den Drang der Zeiten zu überdauern vermochten, die adeligen Familien hervorgegangen, die wir in später Zeit hier ansässig finden.

Um die Mitte des 8. Jahrhunderts bestand also Wasselnheim aus den beiden genannten Herrenhöfen und einer mäßigen Anzahl Bauernhöfe, von denen die meisten mit Hörigen oder Leibeigenen der beiden Höfe besetzt und nur sehr wenige freies Eigentum ihrer Inhaber waren. Der Königshof lag im unteren, der Klosterhof im oberen Dorf. (Auf Grund weiterer Nachforschungen müssen wir die Früher (Teil I. S.6) ausgesprochene Vermutung bezüglich der Lage des Klosterhofes berichtigen. Es deutet alles darauf hin, dass der selbe nicht am heutigen Marktplatze (an Stelle der „Stube“) sondern an Stelle des heute noch vorhandenen „Zehnthofes“ gelegen und mit diesem identisch war. (Die Lage des Königshofes hat noch nicht genauer bestimmt werden können.)

Die Bauernhöfe (hörige und freie) lagen zu beiden Seiten des Kotbaches und längst des linken Mossigufers, zum Teil auf der rechten Seite der Mossig, im heutigen Brechlingen. Der größte Teil des heutigen „Obern Fleckens“ war, wie noch im späteren Mittelalter, unbebaut und mit Wald bedeckt.

Die Beschaffenheit der Bauernhöfe sowohl als auch der Herrenhöfe war, mit unseren heutigen Einrichtungen verglichen, von höchst einfacher Art. Jeder Bauernhof bestand aus einem einstöckigen Wohnhaus, einer niedrigen Scheune und den erforderlichen Ställen für das Groß und Kleinvieh. Um den ganzen, bei den meisten Höfen wohl noch ziemlich gleichgroßen Hofraum lief ein Zaun, der das Gehöfte von den Nachbargehöften trennte. Sämtliche Gebäude waren aus Holz erbaut und mit Stroh oder Schindeln gedeckt. Das Wohnhaus enthielt wahrscheinlich nur einen Raum, der als Wohn- und Schlafzimmer sowie als Küche diente. Im Winter fanden wohl auch die kleineren Haustiere Aufnahme darin, um in friedlicher Gemeinschaft mit den menschlichen Bewohnern die Ankunft der besseren Jahreszeit zu erwarten. Da kein Schornstein vorhanden war, so musste der Rauch des Herdfeuers sich seinen Weg durch die Türöffnung und durch die in den Wänden befindlichen kleinen, viereckigen Löcher suchen, sie als Fenster (ohne Glas) dienten und im Winter mit Stroh, Werk, etc. geschlossen wurden. Statt der heute gebräuchlichen Lampe oder Kerze leuchtete den Bewohnern der Kienspan an den Winterabenden. – Wer jedoch aus dem Gesagten schließen wollte, dass die damaligen Bewohner Wasselnheims Barbaren müssten gewesen sein, der möge wissen, dass Zustände, wie wir sie soeben geschildert haben, sich noch heutigen Tages in Europa finden und zwar nicht nur im fernen Osten, sondern sogar im zivilisierten Westen (z.b. in abgelegenen Gebirgsgegenden), wo man trotzdem den Vorwurf der Barbarei mit Entrüstung von sich weisen würde.

Die Herrenhöfe unterschieden sich von den Bauernhöfen hauptsächlich durch größeren Umfang des Hofraumes und durch ausgedehntere und zahlreichere Wohn- und Wirtschaftsgebäude, glichen ihnen aber in sonstiger Hinsicht. Auch sie waren eingezäunt und hatten ebenfalls aus Holz errichtete Gebäude. Außer dem Wohnhaus des Gutsverwalters (des Meiers oder Schultheißen) waren noch abgesonderte Wohngebäude für die Hörigen und Leibeigenen vorhanden, welche auf dem Hofgute selber wohnten und beschäftigt wurden. – Besondere Wohnhäuser für die Gutsherrschaften gab es wahrscheinlich in den beiden hiesigen Höfen nicht, da die fränkischen Könige ja in dem nahen Marlenheim oder Kirchheim einen großartigen Palast besaßen und auch die Besitzer des Klosterhofes sich nur selten hier aufhielten. (Adalas Vater Graf Bodalus, der früher diesen Hof besessen hatte, war, wie verschiedene Urkunden beweisen, einer der größten Grundbesitzer des Elsass und scheint nicht in Wasselnheim seinen Wohnsitz gehabt zu haben.)

Über die Verwaltung und sonstige Verhältnisse der beiden herrschaftlichen Güter sind zwar keine besonderen Aufzeichnungen vorhanden; aber die Fronhöfe jener Zeit, zumal wenn sie nicht den Wohnsitz der Grundherren bildeten, sich alle einander glichen und über viele von ihnen sehr genaue Nachrichten vorhanden sind, so fällt es nicht schwer, sich auch von den hier vorhandenen Einrichtungen ein ziemlich richtiges Bild zu entwerfen.

 

 

An der Spitze jedes Hofes stand der Hausoberste oder Verwalter, Meier oder Schultheiß (major, villicus) genannt. Sein Hauptgeschäft bestand in der Verwaltung und Bewirtschaftung der zu dem Herrenhofe gehörigen Güter, sowohl der vom Hofe selbst aus gebauten, als auch derjenigen, welche zur mehr selbstständiger Bewirtschaftung wie bereits gesagt, an hörige und unfreie Hintersassen vergeben waren. – Sein Amt war ein mühsames und vielumfassendes, denn die Abgaben, welche er zu sammeln, die Feldarbeiten und sonstigen Frondienste, welche er zu leiten hatte, waren nicht nur sehr zahlreich und mannigfaltig, sondern mussten auch nach verschiedenem Maße unter die hofhörigen Leute verteilt werden, da zwischen Hörigen und Unfreien in dieser Hinsicht ein großer Unterschied herrschte. Wie nämlich auf dem Fronhofe selbst die niedrigsten und schwersten Arbeiten den Unfreien zugeteilt waren, so ruhten auch außerhalb desselben die schwersten Lasten auf den Gliedern dieses Standes. Von dem Ertrage ihrer Felder und Gärten, von dem Wurfe ihrer Haustiere, von den selbst bereiteten Lebensmitteln blieb ihnen in der Regel nur so viel, als zum dürftigsten Unterhalt ausreichte; alles übrige floss in den Herrenhof. Außerdem mussten sie gewöhnlich die Hälfte der Woche über, je nach der Jahreszeit, die verschiedensten Arbeiten im Dienste des Hofherren verrichten (fronen), und selbst die Frauen waren von solchen Diensten und Lasten nicht gänzlich frei, sondern hatten wenigstens an bestimmten tagen Leinwand, Wollenstoff oder mancherlei Hausgeräte zu liefern. Von derselben Art zwar, aber weit geringer nach Zahl und Umfang waren die Abgaben und Leistungen der Hörigen und durften, da sie meist fest bestimmt waren, nicht leicht willkürlich gesteigert werden.  – Der Meier oder Schultheiß hatte also die Oberaufsicht über das Ganze zu führen: er hatte darüber zu wachen, dass zu rechter Zeit gepflügt und gesät, geerntet und geherbstet wurde, dass die Häuser und Wirtschaftsgebäude, die Gärten, Zäune und Wege in gutem Stande gehalten, die Abgaben an den bestimmten Terminen geliefert, die Fronarbeiten in Hof und Feld getan wurden u.s.w. Zur Belohnung für seine Dienste waren ihm gewöhnlich bestimmte Ländereien zum Nutzbrauch und meistens auch ein Teil der von den Hintersassen zu liefernden Abgaben (Naturalien und Geld) überwiesen.

Bei so großer Verantwortung musste dem Meier selbstverständlich auch die Machtbefugnis gegeben sein, seine Ansprüche durchzusetzen und sich Gehorsam zu verschaffen, bzw. mit Strafen einzuschreiten, wenn kein anderes Mittel half. Und diese Befugnis besaß er in der Tat, freilich mit großen und eigentümlichen Einschränkungen und nur als Stellvertreter des Grundherrn. Denn nur diesem stand das Recht zu, innerhalb des Hofgebietes zu gebieten und zu verbieten, bzw. zu strafen oder wie es in der Sprache des Mittelalters heißt, „Zwing und Bann“ zu üben, und dem Meier musste dieses Recht ausdrücklich von ihm übertragen sein, wenn er es ausüben sollte. – Das Zwing- und Bannrecht des Grundherrn erstreckte sich aber nicht nur auf die Vergehungen der hofhörigen Leute gegen die von ihm aufgestellten Hofsatzungen, sondern auch auf jede Streitigkeit, die unter den Gliedern des Hofverbandes vorfiel, ja selbst auf die schwersten Verbrechen, wenn sie von Hofgenossen untereinander begangen wurden: er besaß mit anderen Worten die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über alle Hofgenossen. Nur wenn die Bestrafung des Verbrechers durch das Hofgericht nicht erfolgte oder verweigert wurde, oder wenn die Vergehungen gegen Nichthofgenossen gerichtet waren, war der öffentliche (staatliche) Richter, der Graf, zum Einschreiten berechtigt und verpflichtet. Aber derselbe durfte, da die meisten Fronhöfe Immunität (Unter Immunität (immunitas, emunitas) versteht man einerseits die Freiheit von gewissen Abgaben und Lasten, welche von den Großgrundherren schon früh durch Ausscheiden ihres Grundbesitzes aus der gemeinsamen Feldmark erlangt wurde („Freiherren“), andererseits die Freiheit von dem Einschreiten der öffentlichen Beamten, welche wenigstens in späterer Zeit als besonderes Vorrecht nur vom König oder Kaiser verliehen werden konnte und meistens verliehen wurde, um Übergriffe der öffentlichen Beamten und Konflikte zwischen ihnen und den Hofbeamten zu vermeiden. Das befreite Gebiet wurde häufig selbst Freiheit, Immunität, Mundat (z.B. obere und untere Mundat im Elsass bei Ruffach und Weißenburg) besaßen, auch in solchen Fällen nicht sogleich das Hofgebiet betreten, sondern musste zuerst von dem obersten Hofbeamten die Auslieferung des Verbrechers verlangen und konnten selbst erst dann einschreiten, wenn die Auslieferung verweigert wurde. Die Grundherren oder ihre Stellvertreter konnten jedoch das ihnen zustehende Strafrecht ganz unbeschränkt nur den Unfreien gegenüber ausüben; hinsichtlich der Hörigen war dasselbe in allen wichtigen Fällen ganz wesentlich beschränkt, indem dem Hofvorsteher eine Anzahl aus der Mitte der Hörigen gewählter Schöffen zurSeite stand, die unter seinem Vorsitz das Hofgericht bildeten und für den betreffenden Fall das Urteil zu finden, „das Recht zu weisen“ hatten. Der Vorsitzende war bei der Gerichtssitzung nur Frager des Rechts und Verkünder, sowie Vollstrecker des Urteils, wenn dasselbe von den Schöffen gefunden war. – Zwei- bis dreimal im Jahre fanden an feststehenden Tagen solche Hofgerichte statt, zu welchen alle hofhörigen Leute sich einfinden mussten (ungebotene Dinge), außerdem aber im Laufe des Jahres, je nach Bedürfnis noch besondere Gerichte, bei welchen nur diejenigen zu erscheinen hatten, welche die Sache anging, oder welche geladen waren (gebotene Dinge). Die Verhandlung war mündlich, und jedem Angeklagten, falls er nicht unfrei war, stand das Recht zu, sich zu verteidigen und sich durch seinen Eid von der Beschuldigung zu reinigen, wenn eine genügende Zahl von Hofgenossen als „Eidhelfer“ ihm zur Seite stand und seinen Eid durch den ihrigen als „rein“ und „vollgiltig“ bekräftigte. Die Unfreien besaßen dieses Recht der Eidesreinigung nicht; sie konnten ihre Unschuld nur dadurch beweisen, dass sie sich der Feuer- oder Wasserprobe unterzogen. Je kräftiger also die Körperbeschaffenheit eines unfreien Angeklagten war, desto mehr Aussicht hatte er, der „Unschuldige“ zu sein.

Die Strafen bestanden in Geldbußen, im Verlust des Hofrechtes (wodurch der Hörige zum Leibeigenen wurde), in körperlicher Züchtigung, Verstümmelung (durch Abhauen der Hand oder des Fußes) und Hinrichtung. Alle wegen Verletzung oder Tötung eines Hofgenossen verhängten Strafen an Leib und Leben durften die Hörigen oder ihre Verwandten mit Geld, Wergeld (das ist Manngeld) genannt, abkaufen. Dasselbe floss zu einem kleinen Teil an den Hofherren, zum größten Teil an den Verletzten, bzw. im Falle der Tötung an dessen nächste Verwandten, und war je nach dem Stande des Verletzten und der Schwere des Falles von verschiedener Höhe. Die Unfreien hatten keinen Anspruch auf Wergeld; die für die Verletzung oder Tötung eines solchen gezahlte Entschädigung (compositio) floss in die Kasse des Hofherren. (Erst später wurde auch den Leibeigenen ein Wergeld zuerkannt; dasselbe betrug halb so viel, als das eines Hörigen. Das Wergeld der Freien war doppelt so hoch, als das der Hörigen. Alle im königlichen Dienste stehenden Leute hatten Anspruch auf ein dreifaches Wergeld.) Einen Teil der Geldstrafen erhielt gewöhnlich der den Vorsitz bei dem Schöffengericht führende Meier als Stellvertreter des Hofherren.

Solcher Art war, in groben Zügen dargestellt, auch die Verfassung der beiden hiesigen Fronhöfe vor der Zeit Karls des Großen. Was die wenigen freien Bauernhöfe betrifft, welche sich allem Anscheine nach neben den beiden Herrenhöfen hier erhalten hatten, so besaßen ihre Inhaber innerhalb ihres Hofgebietes und bezüglich ihres Gesindes ursprünglich ganz dieselben Rechte, wie die späteren Großgrundherren, und konnten sie ihren unfreien Leuten gegenüber auch im 8. Jahrhundert unzweifelhaft noch ausüben. Hörige dagegen gehörten höchst wahrscheinlich nicht zu ihren Höfen; dazu waren ihre Güter zu gering an Umfang. Sie selbst standen in rechtlicher Beziehung gleich den Fronhofbesitzern für ihre Person unter dem öffentlichen Richter als dem Stellvertreter des Königs, da sie keinen anderen Herren als das Staatsoberhaupt über sich hatten.  – Mit den beiden Grundherrschaften verband sie kein anderes Band, als die gemeinsamen Nutzungsrechte an Wasser, wegen, Wald und Weide und die hierdurch bedingten gegenseitigen Verpflichtungen, wie z.B. gemeinsame Hut der ungeteilten Ländereien, gemeinschaftliche Verfolgung der Diebe und ähnliches.

So zerfiel also die Gesamtbevölkerung Wasselnheims im 8. Jahrhundert in mehrere Teils größere, teils kleinere Gemeinschaften, die selbstständig nebeneinander bestanden und nur durch wenige gemeinschaftliche Interessen untereinander verbunden waren.

 



b) Gemeindeverfassung im späten Mittelalter   

Bedeutende Veränderungen erlitten jedoch diese Zustände im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Zunächst erfuhr die Rechtsverfassung der Fronhöfe, wie überall im Reiche, so auch hier durch den Einfluss des Christentums und die Erstarkung des Königtums allmählich eine wesentliche Umgestaltung. Von Anfang an war die christliche Kirche in den germanischen Ländern darauf bedacht, das schwere Los der Unfreien oder Leibeigenen zu mildern sowohl durch eigenes Vorbild und Verbreitung humaner Gesinnung, als auch durch bestimmte Vorschriften, welche teils von Kirchenversammlungen festgesetzt, teils durch den Einfluss angesehener Geistlichen in die königlichen Gesetzessammlungen aufgenommen wurden. So wurde zunächst die willkürliche Verstümmelung und Tötung, dann der unbeschränkte Verkauf der leibeigenen abgeschafft; es wurde ihnen ein Wergeld zugesprochen und das Recht verliehen, untrennbare Ehen einzugehen und Eigentum zu erwerben; es wurde ferner die den Herren zu leistenden Abgaben und Dienste fest bestimmt und so der ganze Stand immer mehr dem der Hörigen genähert, bis endlich auch der letzte Schritt getan und die einen gänzlich freigelassen, die anderen wenigstens den Hörigen völlig gleichgestellt wurden. Wo das Letztere auch nicht durch formelle Rechtshandlungen geschah, vermischten sich dennoch die Leibeigenen in Folge ihrer allmählich gleichartig gewordenen Stellung tatsächlich immer mehr mit den Hörigen und verloren sich endlich ganz unter ihnen. (Erst im 15. und 16. Jahrhundert wurde unter dem Einfluss des eindringenden römischen Rechts eine neue Klasse von Leibeigenen geschaffen, indem die Hörigen (ein dem römischen Rechte fremder Begriff) fälschlich als „servi“ bezeichnet und leider auch immer häufiger als solche angesehen und behandelt wurden.) Dieselbe Umwandlung sehen wir auch in den hiesigen Herrenhöfen sich im Laufe des späteren Mittelalters vollziehen, indem der Stand der Unfreien allmählich gänzlich verschwindet. Im Jahr 1405 wird von den Schöffen des Klosterhofes die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass „kein eigen mann mehr hier sei“, und dieser Zustand wird nicht als ein neu eingetretener, sondern als ein schon längst bestehender hingestellt. (Weistum des Hornbacher Dinghofes von 1405 im Wasselnheimer Gemeindearchiv)

Vielleicht ging auch hier die geistliche Grundherrschaft (Abtei Hornbach) mit dem guten Beispiel voran; aber jedenfalls wurde dasselbe von der weltlichen, die den Königshof besaß, getreulich befolgt, denn auch auf ihr Gebiet bezieht sich die ausgeführte Erklärung.

Aber auch die Stellung der Hörigen wurde in vielen Grundherrschaften allmählich eine andere, freiere und dies hauptsächlich durch die wachsende Macht des Königtums. Schon Karl der Große hatte die Aburteilung einiger der schwersten Verbrechen wie Straßenraub, Mord und dergleichen, den Fronhofgerichten entzogen und den öffentlichen Gerichten der Gaugrafen zugewiesen. In der Folge wurde die Zahl dieser zum „Blutbann“ oder „Königsbann“ gehörenden Fälle noch beträchtlich vermehrt, indem schwerer Diebstahl, blutige Körperverletzung, Brandstiftung, Notzucht u.a. hinzugerechnet und gleichfalls den öffentlichen Gerichten vorbehalten wurden. Wo nun nicht den Grundherren mit der oben erwähnten Immunität von den Kaisern zugleich auch die gaugräfliche Gerichtsbarkeit für ihre Besitzungen übertragen wurde, war die Folge jener erstgenannten Maßregel für die Herren eine bedeutende Schmälerung ihrer Gewalt und ihres Ansehens, für die Hintersassen dagegen eine merkliche Minderung ihrer bisherigen Abhängigkeit von den Grundherren und eine größere Annäherung an den Stand der Freien. Denn da die Hörigen nun nicht mehr bloß unter dem Grundherren, sondern – sogar in Hofsachen – zugleich unter dem Gaugrafen standen und der erstere insbesondere keine Gewalt mehr über Leben und Tod gegen sie hatte, so musste ihre Stellung ihm gegenüber naturgemäß eine selbstständigere und freiere werden und das Band, welches sie mit der Grundherrschaft verknüpfte, sich immer mehr lockern.

Am günstigsten gestalteten sich die Verhältnisse in den Königshöfen und in denjenigen geistlichen Besitzungen, für welche die Grundherren die gaugräflichen Rechte nicht zu erwerben vermochten. In den Königshöfen wurden nämlich schon früh die obersten Hofbeamten von den Kaisern auch mit der gaugräflichen Gewalt (der hohen und niederem Gerichtsbarkeit und der Erhebung der königlichen Gefälle) für das Gebiet des betreffenden Hofes betraut oder, wenn die Grundherrschaft sehr umfangreich war, die Amtsbefugnisse in der Weise geteilt, dass dem Meier alle Verwaltungs-, einem anderen Beamten (Richter, Schultheiß oder auch Vogt genannt) sämtliche Justizgeschäfte übertragen wurden. Vor das Gericht des letztern gehörten aber, da er Hofrichter und öffentlicher Richter in einer Person war, nicht nur die hofhörigen Leute, sondern auch die in dem Gebiete angesiedelten Freien und dieser Umstand führte bald zu einer Vermischung nicht nur der beiden Gerichtsbarkeiten, sondern auch der beiden gerichtshörigen Stände, die noch dadurch befördert wurde, dass auch die Abgaben beider Stände nun von denselben beamten erhoben wurden und in dieselben Kassen flossen. Während aber in den nichtköniglichen Grundherrschaften diese Vereinigung der öffentlichen Gewalt mit der grundherrlichen (die auch dort sehr häufig erfolgte) stets zum Nachteil der freien Bauern ausschlug, indem dieselben allmählich selbst als Hörige betrachtet und behandelt wurden, war in den Königshöfen gerade das Gegenteil der Fall; hier zogen die Hörigen fast ausnahmslos den Vorteil daraus, dass der Abstand, durch den sie von den Freien getrennt waren, immer mehr schwand und sich zuletzt ganz verlor. Sehr günstig in dieser Richtung wirkte noch der Umstand, dass schon früh der Gebrauch aufkam, die zu den Königshöfen gehörenden Ländereien nicht mehr von den Höfen aus zu bauen, sondern sämtliche oder bis auf einen geringen Teil als Bauerngüter oder „Huben“ (Königshuben, Königsgüter) unter Hörige und Freie zu verteilen und die Naturalabgaben und Frondienste der Hintersassen in Geld umzuwandeln. Schon äußerlich wurde dadurch die Unterscheidung der hörigen von den freien Bauern erschwert und ihre Gleichstellung erleichtert. – Auf den meisten Königshöfen kamen unter diesen Umständen die alten Fronhofgerichte ganz außer Übung und wurden durch die öffentlichen Gerichte ersetzt.

Eine ähnliche Annäherung der Hörigen und der Freien vollzog sich auch in vielen geistlichen Grundherrschaften von geringerem Umfang, für welche die Grundherren die gaugräfliche Gewalt nicht zu erwerben vermochten. Dieselbe wurde in solchem Falle häufig entweder einem in der Nähe ansässigen kaiserlichen Vasallen oder einem anderen weltlichen Herrn (vielfach demjenigen der schon mit der Schirmvogtei über das Gebiet betraut war) übertragen, der dann in der Regel den vieldeutigen Titel „Vogt“ führte. Die durch diese Maßregel aufrecht erhaltene Trennung der öffentlichen Gewalt von der Hofgerichtsbarkeit war jedoch für die Hörigen der betreffenden Fronhöfe von ähnlichen Folgen begleitet, wie die Vereinigung beider in den Königshöfen. Zwar bestanden die Fronhofgerichte in jenen Höfen fort; sie wurden aber durch den Einfluss der Vögte in ihrer Zuständigkeit noch weiter beschränkt und ihres Ansehens immer mehr beraubt. Denn da der Vogt einen Teil (gewöhnlich ein Drittel) der Strafgelder empfing, so lag es in seinem Interesse, die Zuständigkeit des öffentlichen Gerichtes immer weiter auszudehnen und die Hofgerichte überflüssig zu machen. In vielen Höfen kam es auf diese Weise dazu, dass die gebotenen Frongerichte ganz wegfielen und nur noch die von Alters her bestehenden ungebotenen beibehalten wurden. In der Zwischenzeit lag die Wahrung des Rechtes in der Hand des Vogtes (Auch der Vogt war jedoch nicht Einzelrichter, sondern hatte gleichfalls eine Anzahl Schöffen - Freie - zur Seite) und je mehr dessen Ansehen stieg, desto mehr sank das der Fronhofgerichte bis sie zuletzt an vielen Orten nur noch Förmlichkeiten ohne alle Bedeutung waren.

Als Inhaber der öffentlichen Gewalt waren die Vögte ferner zum Schutze sowohl der Grundherren als auch deren Hintersassen in deren beiderseitigen Rechten verpflichtet. Da sie aber selber sich sehr häufig die willkürlichen Eingriffe in die Rechte der Grundherren erlaubten (Sie werden deshalb von zeitgenössischen (geistlichen) Schriftstellern häufig „Habgierige“, „Ungerechte“, „Gewalttätige“ genannt und den Dieben und Räubern gleichgestellt. Im Jahre 1220 erließ sogar Papst Honorius III. eine Bulle gegen sie, in welcher er das Bistum Straßburg aufforderte, die Ungerechtigkeiten der Vögte nicht ferner zu dulden.) so ist es klar, dass sie es auch mit dem Schutze derselben den Hörigen gegenüber sehr wenig ernst nahmen, ja sogar die auf Beeinträchtigung der herrschaftlichen Rechte gerichteten Bestrebungen der Hintersassen noch unterstützten. So wird es leicht verständlich, wie auch in den genannten geistlichen Grundherrschaften die Hörigkeit ihren ursprünglichen Charakter immer mehr einbüßte, die hörigen Bauerngüter sich allmählich in Gült- oder Zins- beziehungsweise Erbpachtgüter verwandelten und die Hörigen selbst sich unter den Freien verloren.

Nach dem Gesagten befanden sich also die Hörigen der beiden Wasselnheimer Fron- oder „Dinghöfe“, wie beide im späteren Mittelalter stets genannt werden, in der denkbar günstigsten Lage, um sich auch ihrerseits von den ihren Stand einengenden Fesseln zu befreien; denn der eine Hof war ein Königshof, der andere aber Eigentum eines geistlichen Grundherren (des Abts von Hornbach) der für dieses Gebiet keine gaugräfliche Gewalt besaß. Dieselbe war vielmehr denjenigen Reichsvasallen übertragen, welche mit dem Königshofe belehnt waren (zuerst die edlen von Wasselnheim, dann die von Thann, zuletzt die Herren von Adelsheim) und die schon früh als Vögte von Wasselnheim erscheinen. Sie waren zugleich die Schirmvögte des Hornbacher Dinghofes und bezogen dafür jährlich 3 ½ Pfund Pfennig, 43 Viertel Frucht und 40 Hühner, abgesehen von gewissen Ländereien, womit sie gleichfalls von dem Abte belehnt waren. In der tat sehen wir denn auch, dass die Dinge hier zu demselben Ziele wie anderwärts führen, nämlich in dem Königshofe zur völligen Auflösung des alten Hofverbandes, in dem Klosterhofe aber zur Einschränkung der Macht des Grundherren auf das geringste Maß, und in beiden Grundherrschaften zugleich zur Gleichstellung der Hörigen mit den Freien. Über den Verlauf dieser Entwicklung ist uns nichts genaueres bekannt; dagegen finden wir den endlich eingetretenen Zustand festgestellt in zwei wertvollen Dokumenten auf die bereits früher Bezug genommen wurde, nämlich in den beiden Weistümern des Hornbacher Dinghofes, die sich glücklicherweise erhalten haben, und die auch über die Verhältnisse der Gesamtgemeinde wichtige Aufschlüsse geben. Das eine Weistum ist von den Schöffen des Klosterhofes am Donnerstag nach St. Martinstag im Jahr 1405, das andere am St. Ulrichstag des Jahres 1529 aufgestellt. (Die Originale sind nicht mehr vorhanden; dagegen finden sich beglaubigte, aus dem 17. Jahrhundert stammende Abschriften davon im Wasselnheimer Gemeindearchiv. – Dieses letztere enthält leider keine weiteren Schriftstücke mehr aus dem Mittelalter, ist dagegen ziemlich reich an Inventaren, Rechnungen und Protokollen etc. aus dem 17. und 18. Jahrhundert, durch deren sorgfältige Ordnung sich Herr Stadtschreiber Pfeiffer sehr verdient gemacht hat.) Beide stimmen in allen wesentlichen Punkten überein und weichen nur in einigen nebensächlichen Dingen voneinander ab. Das wichtigere Schriftstück ist für uns das ältere, obgleich es das weniger vollständige ist. Wir geben dasselbe unter Weglassung Einganges und Schlusses seinem ganzen Wortlaut nach:

1. „Zu dem Aller Ersten Sprechen wir und Erkennen, dass ein jeglicher Schultheiß, der dann auff dieselbe Zeit Schultheiß ist Unser gnädiger Herrschaft zu Waßlenheim und Brechlingen, dass er diesen Dinghoff mit des Dorffes Vogt besitzen (den Dinghof besitzen bedeutet hier: den Vorsitz bei dem Dinghofgerichte führen) solle und ob aber kein Vogt des Dorffes wäre, so solle er diesen Dinghof besitzen mit Einem gemeinen geschworenen Botten (der Gemeindebüttel) dieser Dörffer obgemelt, und soll haben Viertzehen Schöffel (Schöffen) unversprochener (Ohne üble Nachrede) frommer Mann. Brest Einer von den Viertzehen, dass er Siech wäre, So soll Er Einen anderen lehnen und nehmen in deß Abt von Hornbachs Hoff, wäre aber einer von des Tods wegen (hier fehlt das Wort „abgegangen“) so soll der Schultheiß die Schöffel heißen erkennen Einen andern an Sein statt und alß lang (= so lang als) das Gericht nicht gantz ist, alß lang soll man auch Kein Urteil nicht geben

§2. Wir Sprechen auch, daß man soll zween Dinghoff (hier = Gerichtssitzung) geben inn dem Bann unßer Gnäd. Herrschaft Hoff, Einen Dinghoff zu halb Mey und den andern Dinghoff zu afterhalm (Afterhalm = afterhalb. After = nach, halb= Hälfte, also Nachhälfte, zweite Hälfte des Monats und zwar ist der letzte Tag (31. Mai)  gemeint) und soll man zu Jeglichem Dinghoff vorgewelt den Schöffeln Einen Imbß geben, und wann man Ihnen keinen Imbß nicht geben will, So soll kein Schöffel gehorsam seyn sein Dinghoff zu besitzen (an der Gerichtsitzung teilnehmen) Man soll auch geben denen Schöffeln 20 Pfennig (20 Pfennig (17 – 18 Pfennig der heutigen Markwährung). 12 Pfannig machten 1 Schilling, 20 Schilling 1 Pfund aus. Das Pfund war gleich 2 Gulden oder 4 Livres tournois (4 ¼ Franken)) zu der obbemelten Zusteur zu verzehren oder den Werth davon. Es soll auch kein Schöffel nit verbunden seyn Zinß zu reichen oder zu geben, es sey dann, daß man Inen Ein Imbß gebe.

§ 3. Wir sprechen und Erkennen auch zu recht, dass Unsere Gnäd. Herrschaft obgemelt in Ihrem Dinghoff Soll haben alle Jahr Jährlichen zween Zinßtäg, dass man den Zinß geben und empfahen soll, Ihne auch besitzen und Ein Schreiber dazu haben, der die Zinße anzeichnet, Einen zu Sunngichten (Sunngicht = Sonnengang, Sonnenwende: 21. Juni. Der eine Zinstag sollte aber wahrscheinlich nicht am 21., sondern am 24. Juni, dem St. Johannistag, stattfinden), den andern auf Sanct Martins Tag. Der Schultheiß soll auch thun Ein Klock Klöpffen uff Jeglichen Tag zu manchem Mahl, das man hört, wann der Dingthoff ist. So soll er sich uff Jeglichen Tag zu Dingthoffrecht setzen und bei Ihme aber sein Schreiber haben, als vorgemelt ist.

§ 4. Wir sprechen auch und Erkennen, wäre es Sach, dass die Hueber, die in dem Dingthoff gehend, ungehorsam wären und kein Gelt oder gut Pfand brächten zu Jeglichem Dinghoff, So man dazu geklöpft hat bei derselbigen Tag Zeit, So Soll der Schultheiß denselbigen Zinß, So Ein Hueber schuldig ist bey der wett (Wett = gerichtliche Geldbuße) nehmen. Gibt aber ein Jeglicher Hueber gut Pfandt dar für Sein Theil Zinß, So Soll der Schultheiß daßelbig Pfand Viertzehen Tag gehalten und nicht länger. Solch Pfand soll aber geben werden auff denselbigen Tag, so der Dinghoff ist und nicht darnach.

§ 5. Wir Sprechen und Erkennen auch, wie von altem Herkommen ist zu Recht, dass Waßlenheim und Brechlingen Zwing- und Bannfreye Dörffer des Heiligen Römischen Reiches und Ein Lehen von Einem Römischen König und dem Reich seynd, und die vorgemelten zwey Dörffer seyn auch also frey, dass Sie alle Jahr Jährlichen nicht mehr geben dann 60 Pfund Pfennig zu Einer stehenden Bett (Bett = Steuer. Mit Bett oder Bete, eigentlich Bitte, bezeichnet man eine Steuer, die ursprünglich von der Obrigkeit, wahrscheinlich in Notfallen, erbeten wurde (precaria), im laufe der zeit aber in eine pflichtmäßige, stehende Abgabe überging.) nemlich 30 Pfund Pfenning zu Hornung und 30 Pfund Pfennig zu unserer Frauen Tag zu der Ernd.

§ 6. Wir sprechen und erkennen auch zu Recht, dass Ein Jeglich Haus, das halt Feuer und Rauch, dass Soll Jahrs Ein Rauch Huhn geben, das von einem Sproßen mag zu dem andern springen. Es in Eigen Bannwasser Nicht seyn zu Waßlenheim und zu Brechlingen , es soll ein frey Wasser seyn. Als Lützel (Als lützel = so wenig) Ein Herrschaft das wasser behalten und bezwingen Kann, als Lützel soll es auch Eigen sein. Es Soll auch Kein Bannmühl hie sein, Es soll auch Kein Bannoffenhauß hie seyn, Es soll auch Kein Eigen mann hie seyn, Er sey dann von dem Galgen erlößt.

§ 7. Wir sprechen und erkennen auch, wäre es, daß Ein Huber stürbe und von Tods wegen abgieng, So sollen desselben Hubers Erben das Hubrecht in 14 Tägen Empfahen Und Einem Meyer oder Schultheißen gehorsam seyn und thun Inn 14 Tägen. Waß einer Kaufft, das soll nicht länger dann 8 Tag stehen.

§ 8. Waßlenheim und Brechlingen hat auch einen freyen Zugt. Wann einer hinwegziehen (will) er seye reich oder Arm, begegnet ihm Sein Herr im Wald, ist er gesteckt, So Soll der Herr ab Seinem Pferd stohn und Ihm helffen schalten am wagen oder an dem Karch, dass er mag für Sich fahren an die Ende, da er hin Ziehen will. Mißthät auch ein armer mann oder Ein reicher Mann, es wäre in welchen Weges wollt, so soll er nicht gestrafft werden, Sondern er soll für recht gestellt werden zu Waßlenheim. Und was da erkannt wird, dass soll er der Herrschaft Bessern (bessern = zur Strafe zahlen) und nicht mehr. Es soll Keiner in Kein Reyß weiter getrungen sein und werden von seynem Halßherren (Halßherr = oberster Gerichtsherr, der über Leben und Tod zu entscheiden hat), anders er soll bey Sonnenschein Heim Kommen zu Seinem Weib und Kindern.

§ 9. Wir sprechen und erkennen auch, dass sollen sein vier Korn Bannwarthen In den obgemelten Dörffern, deß soll der Abt von Hornbach einen geben. Und die andern Bannwarth ohn des Abts bannwarth obgemelt, soll Jeglicher Bannwarth geben der Herrschaft zu Waßlenheim und Brechlingen Einen fürnen Hammel oder Zween Junge, und wer Ihnen mehr abnehme, der thät Ihnen Unrecht. Aber der ander Bannwarth, der Unßers Herrn Abt von Hornbach ist, der wird genannt ein Meyer, der soll halten Ein Stier und Einen Eber, dass die Gemeind kein Klag davon hat. Es seynd auch die vier Fronmattengelegen zu Waßlenheim, dießelben sollen auf Sanct Georgen Tag zu seyn und auff Sanct Johannes Tag. So bricht Er Kein Einung (Einung = 1. Einigung, Übereinkunft 2. die auf den Bruch derselben gesetzte Strafe, in welcher Bedeutung das Wort hier gebraucht ist.) nicht. Und in den vier Frohnmatten hat der Meyer das Ohmet zu steuer, und derselbigen Matten spricht man die Stiermatt.

§ 10. Wir Sprechen und Erkennen auch zu recht, dass ein guth zu Waßlenheim liegt, das ist genannt das Königsguth. Da liegt ein matt, dießelbig matt ist genannt die Frohnwinkelmatt, und der Hoffmeister, der auf des Königs guth sitzt, der soll zu Imbiß haben zween Pfeiffer und soll Ein dick Erbiß muß thun Kochen und Speck dar zu, Und soll das Erbiß muß in ein Schüßel thun anrichten, auf jegliche Schüßel legen Ein Stück Specks oben darauff, daß der Speck nit in das Erbiß muß Lapp oder darein Hang. (Das Stück Speck musste so groß und dick sein, dass es über die Schüssel gelegt, steif liegen blieb, ohne auf das Erbsenmus herabzusinken) Lappt aber der Speck auf das Erbißmus, so soll der Hoffmeister denen Hubern bessern 32 Schilling Pfennig. Der Hoffmeister soll auch den ersten Tantz auf derselben Matt machen; wann man das Hew macht, so soll man den Tantz machen.

§ 11. Wär es auch sach, daß ein unfertiger (Unfertig = unrechtfertig, ungerecht; unfertiger mann = Verbrecher) Mann begriffen wird und Kein Galgen nicht da wär zue Waßlenheim obgemelt, will man dann einen Machen, so soll der, der deß Königs guth besitzt, das Holtz dar zu führen vergeben, dass das Gericht den Galgen damit machen. Wär es auch Sach, daß der ohnfertige also schwach wäre, dass er nicht gehen möchte an die End, so soll derselbe, der des Königs guth besitzt, Einen halben Wagen dargeben und soll denselben Mann führen an die End, da der unfertige mensch hingehört, biß dass Ihm Sein Recht beschieht. Wär es auch Sach, dass man keinen Henker Richter möchte haben, so soll deß Dorffs bott den ohnfertigen mann henken oder richten. Davon hat der bott und Ein Jeglicher, der des Dorffs bott nun zu Künftigen Zeiten ist, alle Jahr Jährlichen Einen halben Ohmen weins von Einem Akher Reben an dem Fornenberg, und spricht man demselben Akher der Henker Akher.“

Die hervorragendste und wichtigste Eigentümlichkeit des vorstehenden Weistums besteht darin, dass es sich nicht nur mit den Angelegenheiten des Hornbacher Dinghofes beschäftigt, sondern auch die Verhältnisse des Königsgutes und die Rechte und Pflichten der Gesamtbevölkerung, der „Gemeinde“ wie dieselbe wiederholt genannt wird, in seinen Bereich zieht und damit den Beweis liefert, dass die frühere Abgeschlossenheit der beiden Dinghöfe und der freien Bauerngüter schon längst geschwunden war und die Angehörigen derselben sich derart vermischt hatten, dass kein wesentlicher Unterschied mehr zwischen ihnen bestand, sondern alle zusammen eine einheitliche Dorfgemeinde bildeten.

Speziell auf die Verhältnisse des Hornbacher Dinghofes beziehen sich die §§ 1-4, 7 und teilweise 8. Es wird darin ausgesprochen, dass der Schultheiß oder Meier des Hofes auch den Vorsitz bei dem Hofgerichte zu führen habe in Gemeinschaft mit des „Dorfes Vogt“. Das unter diesem letzteren nicht der Schirmvogt und Träger der öffentlichen Gewalt selbst zu verstehen ist, ergibt sich schon daraus, dass der Dorfvogt durch den Gemeindebüttel vertreten werden konnte und also eine ähnliche Stellung wie dieser eingenommen haben muss. Diese Auffassung wird aber auch ausdrücklich durch das Weistum von 1529 bestätigt, welches den dem Dinghofgericht beiwohnenden Vogt gleichfalls erwähnt, ihn aber ausdrücklich von den Schirm- oder Karstvögten (Im späteren Mittelalter werden die Schirmvögte häufig Karstvögte, Kast- oder Kastenvögte genannt. Die Etymologie des Wortes ist streitig; Viele leiten es von castri advocatus = Burg-, Schlossvogt ab.) unterscheidet und als einen von diesen letzteren ernannten Beamten bezeichnet. Es war offenbar der unter dem kaiserlichen Vogt stehende Gemeinde-Polizeibeamte, welcher zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei den Hofgerichten zugegen sein musste. Die 14 Schöffen, welche mit dem Schultheiß den Gerichtshof bildeten, bekleideten ihr Amt lebenslänglich und besaßen das Recht der Cooption, d.h. das Recht, für die frei gewordenen Schöffenstellen selbst die Genossen zu wählen. Die ungebotenen Gerichtstage folgten, wie in vielen anderen Dinghöfen, nach kurzem Zwischenraum auf einander; gebotene scheinen gar nicht mehr stattgefunden zu haben. Wie in den meisten andern Dinghöfen hatten auch hier die Schöffen Anspruch auf Bewirtung vor jeder ungebotenen Gerichtssitzung; eigentümlich ist hier die Zugabe an Geld. – Am St. Johannis- und am St. Martinstage musste der Zins von den Hintersassen bezahlt werden, und zwar, wie es scheint, gleichfalls in Gegenwart der Schöffen. Aus dem späteren Weistum geht hervor, dass derselbe aus Geld, Hafer und Hühnern bestand. Wer den Zins nicht zahlen konnte, musste ein Unterpfand geben; dasselbe verfiel, wenn es nach 14 Tagen nicht ausgelöst war. Wer weder Zins noch Pfand brachte, wurde in Strafe genommen.  Beim Tode eines Hübners stand seinen Nachkommen das Recht zu, die von dem Verstorbenen bebauten Hofländereien im laufe der nächstfolgenden 14 Tage zu übernehmen, und der neue Hübner musste dem Schultheißen oder Meier – der Hofverwalter führte offenbar beide Titel ohne Unterschied – als dem Vertreter des Hofherren huldigen, das heißt Treue und Gehorsam geloben. Verkäufe, welche aus dem Nachlass eines verstorbenen Hübners stattfanden, wurden erst nach Verlauf von acht Tagen gültig und konnten während dieser Zeit von etwaigen Näherberechtigten angefochten werden.

So hatte sich also in dem Hornbacher Dinghof das alte Hofgericht erhalten, aber § 8 belehrt uns, dass seine Zuständigkeit sich nur noch auf spezielle Hofangelegenheiten erstreckte; denn alle „Missetaten“, das heißt alle schwereren Vergehungen und Verbrechen wie Diebstahl, Brandstiftung, Körperverletzung, Totschlag u.s.w. gehörten vor das öffentliche Gericht („vor Recht“) des kaiserlichen Vogtes, selbst wenn die verwirkten Geldbußen (zum Teil) „der Herrschaft“, das heißt dem Grundherren, dessen Hintersasse der Missetäter war, entrichtet werden mussten. Vor das Dinghofgericht gehörte also die Aufnahme neuer, nicht erbberechtigter Hübner in den Hofverband (die erbberechtigten wurden nach § 7 von dem Meier allein aufgenommen) die Anerkennung der durch Tod oder Vertrag erfolgten Besitzveränderungen, die Entscheidung in Besitzstreitigkeiten, die Bestrafung der Feldfrevel sowie überhaupt aller Übertretungen der Hofsatzungen: mit einem Worte die freiwillige und streitige Gerichtsbarkeit innerhalb der Hofgenossenschaft und die Hof- und Feldpolizei im Bereiche des Dinghofgebietes.

Von dem Königsgute die §§ 10 und 11. § 10 leidet an großer Dunkelheit. Nach der Fassung desselben war der Hofmeister, das ist der Meier des Königsgutes nur als Inhaber der Fronwinkelmatt zur Bewirtung der „Huber“ bei Pfeifenklang verpflichtet, und die „Huber“ waren offenbar, wenigstens zum Teil, dieselben, welche zum Verbande des Hornbacher Dinghofes gehörten. Wie sie aber zu dieser eigentümlichen Berechtigung gekommen waren, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Wahrscheinlich waren die Matten (Wiesen) wie bereits oben bemerkt wurde, früher im ungeteilten Besitze der beiden Dinghöfe (und der freien Bauern) gewesen, und bei der Heuernte hatten die Hörigen beider Höfe gemeinschaftlich Frondienste leisten müssen, wofür sie nach beendigter Arbeit in der angegebenen Weise bewirtet wurden. Als später die Wiesen selber oder die Nutzungsrechte an denselben geteilt wurden, blieben sowohl die Fronen der Hintersassen als auch die Lasten der Grundherren bestehen, und zwar haftete die Last der Bewirtung auf der dem Königshof zugeteilten Fronwinkelmatt, während der Meier des Klosterhofes für den ihm zugefallenen Anteil (die Stiermatt) den Gemeindestier und –eber zu halten hatte (§9). – Die Frontänze (welche auch in den Weistümern anderer Fronhöfe vorkommen) waren ursprünglich gewiss nichts weiter, als die Äußerung der natürlichen Lust an gesellschaftlichen Erheiterungen, allein die freie Übung ging, da die Gutsherrschaften Gefallen daran fanden, allmählich in stehenden Gebrauch über, und endlich wurde eine Verpflichtung daraus, der sich die Beteiligten nicht mehr ungestraft entziehen durften. Hier liegt nun der Fall vor, dass der Gebrauch sogar die Auflösung des Hofverbandes überdauerte. Denn dass der dinggerichtliche Verband des Königshofes zur Zeit der Abfassung des Weistums nicht mehr bestand, ergibt sich aus der Art und Weise, wie von dem Königsgute gesprochen wird. Nur das Gut wird genannt, der Dinghof aber nicht erwähnt, obgleich das Vorhandensein desselben durch zahlreiche Dokumente aus demselben jahrhundert bewiesen ist. Wäre mit dem Hofe zu jener Zeit noch ein Schöffengericht der Hintersassen gleich dem des Hornbacher Dinghofes verbunden gewesen, so wäre die Nichterwähnung dieser wichtigen Einrichtung in dem Weistum geradezu unbegreiflich, da ja an der betreffenden Stelle verschiedene andere Angelegenheiten  des Königshofes berührt werden, die von weit geringerer Bedeutung waren und recht gut unerwähnt hätten bleiben können. Der Königshof führte offenbar nur noch den Namen eines „Dinghofes“, während die hofhörige Genossenschaft sich schon seit langer Zeit aufgelöst hatte und das Hofgericht durch das öffentliche Gericht verdrängt worden war. Dies hatte nach der oben gegebenen Darstellung ohne Schwierigkeit geschehen können, da die mit dem Königshofe belehnten Vögte von Wasselnheim die grundherrliche und die öffentliche Gerichtsbarkeit in ihrer Person vereinigten und auch die Hintersassen aus der Beseitigung des Hofgerichtes nur Vorteil zogen. – Selbst der Name Königsgut (Der Name erhielt sich bis zur französischen Revolution. Man bezeichnete damit zuletzt aber nur noch eine Wiese, wahrscheinlich die alte „Fronwinkelmatt“, die allein von dem alten Königsgute übrig geblieben war. 

Die Revolution beseitigte auch die Benennung „Königsgut“; dagegen ist der Name „Fronmatt“ (durch Zusammenziehung aus Fronwinkelmatt entstanden) auf unsere Tage gekommen und auch die Wiese selbst ist noch vorhanden: sie liegt zwischen dem Stationsgebäude und der Mossig) scheint um die genannte Zeit nur noch an dem Besitztum desjenigen Hübners gehaftet zu haben, der auf dem alten Königshofe wohnte und in dem Weistum „Hofmeister“ genannt wird. Seitdem nämlich das Schloß erbaut war (S.Teil 1. Seite 15. Dasselbe scheint unter Beihilfe des Abtes von Hornbach errichtet worden zu sein; denn derselbe besaß laut Ausweises mehrerer Urkunden eine Wohnung in dem Schlosse.) waren die Vögte von dem „niedern Dinghof“, der ihnen Jahrhunderte als Wohnsitz gedient, in dasselbe übergesiedelt und hatten auf dem Königshofe den Meier zurückgelassen, der bis dahin die ihnen übertragenen Ländereien unter ihrer Aufsicht verwaltet hatte und sie, wenigstens zum Teil, auch nach der genannten Übersiedelung noch bebaute, weshalb er auch den Titel Hofmeister fortführte. – Dass derselbe das Holz zum Galgen zu liefern und die Verbrecher zur Richtstätte zu befördern hatte, erklärt sich daraus, dass er früher von den mit dem Blutbann belehnten Vögten als ihr unmittelbarer Untergebener zu diesen Dienstleistungen verwendet worden war. Dieselben verblieben ihm, auch nachdem seine Stellung zu den Vögten eine andere, freiere und selbstverständigere geworden war. – Die Richtstätte mit dem Galgen befand sich auf der Spitze des sogenannten Galgenberges, links von der Straße nach Zehnacker. (Im Jahre 1586 stürzte der Galgen um und musste durch einen neuen ersetzt werden.)

Auf die Rechte und Pflichten der Gesamtgemeinde endlich beziehen sich die §§ 5, 6, 8 und 9. Was zunächst die in § 9 enthaltenen Bestimmungen anlangt, so betreffen sie die bereits früher erwähnte, aus den ältesten Zeiten stammende Verpflichtung der gesamten Dorfbevölkerung zur gemeinsamen Hut der Dorfmark (des Bannes). Jeder der früher selbstständig nebeneinander existierenden Teile gab einen, der Königshof vielleicht zwei Bannwarte. Das Amt scheint ein mit besonderen Vorteilen  verbundenes Ehrenamt gewesen zu sein, da jeder Bannwart mit Ausnahme des vom Klosterhofe ernannten eine Abgabe dafür (einen alten oder zwei junge Hämmel) an den Vogt – denn dieser ist hier unter der „Herrschaft in Wasselnheim und Brechlingen“ zu verstehen – zu entrichten hatte. Im Hornbacher Dinghof wurde das Amt dem Meier selbst übertragen, der es durch einen seiner Leute versehen ließ. (in dem Weistum von 1529 heißt es ausdrücklich, dass der Meier einen Bannwart zu geben hat) Er war von der Abgabe befreit, musste aber stattdessen einen Stier und einen Eber halten und erhielt dafür das Ohmet (Grummet) auf den vier Fronmatten. Die Verpflichtung, den Stier zu halten, ruhte indessen offenbar nur auf einer der vier Wiesen, die deshalb die „Stiermatt“ hieß.(Dieselbe ist noch heute vorhanden (rechts von der Straße nach Marlenheim, gleich vor Wasselnheim) und noch heute ruht auf ihr die Last, einen Stier zu halten. Auch die anderen Fronmatten lagen unzweifelhaft ebendaselbst auf beiden Seiten der Mossig.)

Die politische und soziale Stellung des Dorfes behandeln die übrigen Paragraphen ( 5,6 und 8)Sie bestätigen die Tatsache und zwar als eine „von altem Herkommen“ zu Recht bestehende, dass Wasselnheim nebst Brechlingen von jeher unmittelbares Reichsgebiet war und vom Kaiser als Lehen an weltliche Große verliehen wurde. Beide orte waren darum „zwing- und bannfrei“ (Nicht „zwinge und banne freidörfer“ wie die Stelle in dem Abdruck des Weistums von 1529 bei Grimm, Weistümer V 441, fälschlich lautet und wie wir sie auch im 1. Teil Seite 7 angeführt haben), das heißt niemand als dem Kaiser beziehungsweise dessen Stellvertreter (dem mit dem Orte belehnten Vasallen) stand das Recht zu, innerhalb des Dorfgebietes Gebote und Verbote zu erlassen und als oberste Richter Recht zu sprechen. Darum durfte weder der Abt von Hornbach noch irgendein anderer in dem Dorfe begüterter Grundherr (Solche in Wasselnheim begüterte Grundherren waren der Bischof von Straßburg, die Klöster Andlau und Steige, bzw. die von ihnen mit den Gütern belehnten Vasallen) die Benutzung der auf seinem Eigentum befindlichen Wasserläufe verbieten oder Bannmühlen, Bannöfen, Bannschmieden etc. anlegen (§6); darum durfte ferner keiner von ihnen seine hier ansässigen Vasallen oder Hintersassen für Missetaten strafen, selbst wenn er persönlich dadurch geschädigt wurde (§8), sondern jede derartige Rechtssache musste vor den durch den kaiserlichen Vogt geleitete öffentliche Gericht gebracht werden, dem allein die Entscheidung zustand (§8). Übrigens war schon 1236 zwischen dem Kaiser und dem Bischof von Straßburg festgesetzt worden, dass bei Streitigkeiten und Vergehungen der bischöflichen Ministerialen und Hörigen unter einander die Entscheidung, bzw. die Bestrafung der Schuldigen den kaiserlichen Vögten und Schultheißen zustehen solle, wenn beide Teile (der Kläger und der Angeklagte) in einer kaiserlichen Stadt oder Burg ansässig seien.

Endlich bestätigt das Weistum noch ausdrücklich die Tatsache, dass keine Leibeigenen sich mehr hier befanden, dass alle Bewohner, mochten sie auf freien oder hörigen Gütern sitzen, das Recht besaßen, ungehindert wegzuziehen, wann und wohin sie wollten, ja das der betreffende Grundherr selbst seinen abziehenden Hörigen unter gewissen Umständen noch hilfreiche Hand leihen musste: der sicherste Beweis dafür, dass der gesellschaftliche und (staats-)rechtliche Unterschied zwischen Freien und Hörigen hier geschwunden war, bzw. das die Hörigkeit keine Beschränkung der persönlichen Freiheiten in sich schloss, sondern nur noch ein dingliches d.h. ein auf äußere Dinge, wie Besitz, Leistungen etc. bezügliches Rechtsverhältnis darstellte. – Zur Zahlung der auf ihren Feldern ruhenden Steuern und sonstigen Abgaben waren die Bauern auch dann verpflichtet, wenn sie anderwärts ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten und es hat gerade deshalb auch nicht an Versuchen gefehlt, ihnen das Recht des „freien Zugs“ zu verkümmern oder zu erschweren. So machte z. B. in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr viele Einwohner von Wasselnheim und Brechlingen von ihrem Zugrechte Gebrauch, indem sie nach größeren Städten verzogen und, auf den ihnen dort gewährten Schutzvertrauend, die Zahlung der schuldigen Abgaben unterließen. Der damalige Vogt Friedrich von Thann sah sich dadurch in seinen Einnahmen empfindlich geschädigt, und er erlangte von Kaiser Sigismund 1434 die Ermächtigung, auf die meistens unbebaut gelassenen Güter der Weggezogenen besondere „sture und hette“ (Steuern und Abgaben) zu legen und die Güter in Besitz zu nehmen, wenn diese Steuer nicht bezahlt wurde. (Kaiserliche Urkunde von 1434 im Straßburger Archiv). Welchen Erfolg diese Maßregel hatte, wissen wir nicht.

An Kaiser und Reich hatte die Gesamtgemeinde nicht mehr als 60 Pfund Pfennig(= 120 Gulden oder etwa 206 Mark) jährlich als stehende Steuer zu zahlen, die aber in die Kasse des kaiserlichen Vogtes floss, da sie einen Teil seines Lehens ausmachte. Derselbe erhielt auch die „Rauchhühner“ deren eines von jeder Feuerstätte des Dorfes zu geben war (§5).- Über die weiteren, im Weistum nicht erwähnten Abgaben der Einwohner teilen wir aus anderen Quellen (Archiv der Stadt Straßburg und Bezirksarchiv des Unter-Elsass) folgendes mit: Mehrere der ursprünglich zum Königshofe gehörenden Bauerngüter hatten jährlich 15 Pfund Pfennig und 15 Viertel Frucht an die Edlen von Wangen zu entrichten, denen dieser Betrag im Jahr 1280 von Rudolph von Habsburg für die von ihnen übernommene Hut der Oberehnheimer Burg (statt der ausbedungenen 70 Mark Silber) verpfändet worden war (Teil 1. S 13) Erst 1498 kaufte Maximilian I die Abgabe zurück und übertrug sie auf die Stadt Straßburg, welche ihm die Rückkaufsumme vorgestreckt hatte. – Andere Abgaben in Geld und Naturalien lasteten auf einzelnen Gütern, welche seiner Zeit durch Schenkung in den Besitz des Bistums Straßburg und verschiedener Klöster gekommen, von diesen dann als Lehen an angesehene Vasallen und Dienstleute vergeben und endlich Eigentum der betreffenden Familien geworden waren. Solche Ländereien besaßen die Ritter Pfaffenlapp von Still (bei Mutzig), die Edlen von Haffner und andere. Sie selbst bewirtschafteten dieselben nicht, sondern hatten sie an verschiedene Bauern gegen oft sehr sonderbaren Zins wie Hühner, Kapaunen (Kappenzins) u.a.D. vergeben. – Von allen Gütern der Dorfmark ohne Ausnahme musste endlich noch der Zehnte und zwar Frucht und Weinzehnte gegeben werden. Die Hälfte desselben war schon im Jahr 754 der Abtei Hornbach von der Gräfin Adala geschenkt worden; die andere Hälfte bezog damals entweder die hiesige Kirche oder, was wahrscheinlicher iost, der fränkische König als Besitzer der anderen Dorfhälfte. Eine ähnliche Teilung bestand das ganze Mittelalter hindurch, nur mit dem Unterschied, dass der Abt von Hornbach nicht mehr die Hälfte, sondern nur 2/7, die hiesige Kirche 1/7 und die weltliche Obrigkeit4/7 des Zehnten bezog. Die erstgenannten 3/7 hießen der kleine, die letzteren4/7 der große Zehnte. Nur selten oder nie floss jedoch der letztgenannte Teil direkt in die Kasse des Kaisers; gewöhnlich wurden verdiente Ritter zur Belohnung für geleistete Dienste damit belehnt. Im 14. Jahrhundert erhielten davon 2/7 zuerst die Herren von Greifenstein, später die Edlen von Odrazheim, 2/7 aber die Herren von Landperg. Im folgenden Jahrhundert waren die Herren von Fleckenstein für die Hut einer Burg mit 2/7 und die Vögte von Wasselnheim mit den beiden anderen Siebenteln belehnt. Die letzteren erlangten später den ganzen großen Zehnten, mussten ihn aber von 1489 an wieder mit den Edlen von Lützelburg teilen, da Heinrich von Lützelburg eine Schwester des früheren Vogtes Friedrich von Thann geheiratet hatte und deshalb die Hälfte des großen Zehnten beanspruchte und nach langem Streite endlich auch erhielt.

Im Jahr 1496 erwarb die Stadt Straßburg den Ankauf Wasselnheims auch die den bisherigen Vögten zustehenden 2/7 des Zehnten - Die Verteilung des Zehnten geschah in der Weise, dass die Gesammelten Naturalien in Gegenwart von sämtlichen Empfangsberechtigten Vertreter in / Haufen geteilt und dann verlost wurden.

 Werfen wir endlich noch einen Blick auf die kirchlichen Einrichtungen, welche bis zum Beginne der Reformation hier bestanden, so finden wir, dass der Ort eine Hauptkirche und zwei Kapellen (außer der Schlosskapelle) besaß. Die Hauptkirche war der heiligen Barbara, die eine Kapelle der heiligen Jungfrau und die andere dem heiligen Nikolaus geweiht. Die Hauptkirche stand an der Stelle der heutigen Kirche. Die eine Kapelle, welche öfters als ‚Nebenskirch’ bezeichnet wird, scheint sich in der Nähe der Hauptkirche befunden zu haben; die andere stand auf der „Kapellenmatte“ bei Brechlingen. (Dieselbe wurde erst zu Beginn unseres Jahrhundert völlig abgebrochen, nachdem sie schon lange eine Ruine gewesen) Das Pfarramt wurde von einem Pfarrer und zwei Kaplänen verwaltet. Zur Pfarrei gehörten auch die Bewohner von Elmersforst, das zu jener Zeit noch ein kleines Dorf war und eine eigene Kapelle hatte, und wahrscheinlich auch diejenigen von Grastadt (wenigstens war dies nach der Reformation der Fall.).  –

So hatte sich also im Laufe des späteren Mittelalters zu Wasselnheim aus den verschiedenen, früher selbstständig und abgesondert neben einander bestehenden Gemeinschaften allmählich eine in weltlicher und religiöser Hinsicht einheitliche Gemeinde gebildet, an deren Spitze der Vogt als oberster Leiter der Justiz und Verwaltung stand. Nur wenige Familien hatten sich über den Bauernstand zum niederen Adel erhoben; alle übrigen lebten der Sitte der Väter getreu, das höchst einfache, weit mehr als heute an mühseliger Arbeit und harten Entbehrungen reiche Leben der Bauern und ländlichen Handwerker, und wenn sie auch nicht alle auf eigenem Grund und Boden saßen, so waren sie doch der öffentlichen Gewalt gegenüber alle gleich an Rechten und Pflichten und besaßen alle das höchste gut der Germanen: die persönliche Freiheit.

Schauen wir zum Schlusse noch einmal auf die zu diesem erfreulichen Ziele führende Entwicklung zurück, so bemerken wir, dass sie schon früh ihren Anfang nahm und trotz mannigfaltiger Hindernisse stetig voranschritt. Auch der im 13. Jahrhundert wiederholt eintretende Wechsel im Besitze der öffentlichen Gewalt und die damit verbundenen heftigen Kämpfe zwischen dem Kaiser und dem Bistum Straßburg vermochten nicht, den einmal begonnenen Prozess zu unterbrechen oder aufzuhalten; wir sehen ihn vielmehr auch unter jenen Wirren gleich einem im Verborgenen sich vollziehenden Naturgesetze seinen stillen Fortgang nehmen, um endlich ohne alle gewaltsamen Erschütterungen, auf völlig friedlichem Wege seine segensreichen Früchte zu bringen.

 

Wasselnheim unter der Herrschaft Straßburgs



a) Unter deutscher Oberhoheit. Von 1496 bis 1680

Nachdem die Stadt Straßburg im Jahre 1496 Wasselnheim und Brechlingen nebst der Hälfte der beiden Dörfer Friedolsheim und Ittelnheim von den Herren von Adelsheim erworben hatte, wurde aus den genannten Orten das Amt (oder die „Herrschaft“) Wasselnheim gebildet. Dasselbe blieb auch unter den neuen Verhältnissen fortwährend ein Reichslehen, mit dem ein von der Stadt abgeordneter ritterbürtiger Bürger Straßburgs von dem jedesmaligen Kaiser belehnt werden musste. Regelmäßig wurde einer der Stättmeister zum Lehensträger erkoren, und da die Belehnung nicht nur nach dem Tode jedes Kaisers, sondern auch nach dem Ableben jedes Lehensträgers erneuert werden musste, so finden wir bis zum Jahre 1677, wo die Belehnung zum letzten Mal durch einen deutschen Kaiser erfolgte, eine lange Reihe dieser kaiserlichen Staatsakte verzeichnet. Was die Geschlechter betrifft, welchen die Lehensträger entstammten, so sind es selbstverständlich die angesehensten adeligen Familien, welche in Straßburg ansässig waren, wie Bock, Sturm, von Müllenheim, von Kettenheim, von Wormser, von Berstätt, von Brardorf, Zorn von Plobsheim und andere. An der Spitze des Amtes stand der Amtmann, der seinen Wohnsitz im hiesigen Schlosse hatte, und mit der Verwaltung des ganzen Amtsgebietes betraut war. Die speziellen Dorfangelegenheiten waren dem Schultheißen und mehreren Schöffen anvertraut, welchen eine Anzahl Ausschüsse zur unentgeltlichen Verwaltung der übrigen Gemeindeämter zur Seite stand. Genaueres hierüber weiter unten.

Im Jahr 1503 erhielt das Amt einen Zuwachs, indem das Dorf Zehnacker (Zehnacker war ein finstingisches Lehen und hatte sich zuletzt im Besitze eines gewissen Bernhard Mönchweiler von Zweibrücken befunden) von der Stadt Straßburg angekauft und mit der Herrschaft Wasselnheim vereinigt wurde. Eine weitere Vergrößerung derselben erfolgte 1511 indem die Hälfte des Dorfes Flexburg hinzukam. Dieselbe war der Stadt Straßburg im Jahr 1504 von einem ihrer Bürger (Nikolaus Jörger) gegen ein Darlehen von tausend Pfund verpfändet worden; da aber der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachzukommen vermochte, so wurde er 1511 zur Abtretung des Gebietes an die Stadt genötigt.

Andere Ereignisse von größerer Wichtigkeit sind aus den beiden ersten Decennien des 16. Jahrhunderts nicht zu berichten. Ruhig und stetig schritt der Ort in seiner Entwicklung voran und vergrößerte sich durch Zuzug von außen bald so, dass die Benennung „Dorf“ als unzutreffend aufgegeben und durch „Flecken“ ersetzt wurde. Größere Bewegung trat aber an die Stelle dieser Ruhe, als die Kunde vor der zu Wittenberg begonnenen Reformation auch hierher drang und die auch hier vorhandene Unzufriedenheit mit den kirchlichen Zuständen auf das höchste Maß steigerte. Das Verlangen nach einer Änderung wurde so allgemein und äußerte sich in so heftiger Weise, dass im Jahr 1523 der Amtmann (Fabian von Eschenau) an den Straßburger Magistrat berichtete, er könne nicht länger für die Ruhe des Ortes einstehen, wenn man dem Verlangen nach einem evangelischen Prediger nicht nachgebe. Im folgenden Jahre wurde deshalb Andreas Keller, ein aus Würthemberg vertriebener Geistlicher, als evangelischer Pfarrer angestellt und die ganze Gemeinde trat zur Reformation über. Keller nahm sich der bis dahin größtenteils ohne Unterricht aufgewachsenen und auch in anderer Hinsicht verwahrlosten Jugend mit Ernst und Eifer an, unterrichtete sie im Lesen, Schreiben und der Religion und verfasste später sogar einen kleinen Katechismus für den Religionsunterricht, der den Titel führte: „Beriecht der Kinder zu Waselnheim in Frag und Antwort gestellt durch Andream Keller, Diener des Wort Gottes daselbst.“ – Als im Jahr 1533 die Gemeinde zu Zehnacker gleichfalls zur Reformation übertrat, wurde die Seelsorge daselbst dem Pfarrer zu Wasselnheim übertragen. Zwei Jahre später fand die erste Kirchenvisitation beider Gemeinden statt, bei welcher der Geistliche über „den vnfleßt des Amtmanns, des Schultheißen, des gerichts und andere verampteten“ sowie über unsittlichen Lebenswandel zweier Bürger zu klagen hatte. – Die Gemeinde Zehnacker sprach den Visitatoren die Bitte um einen eigenen Geistlichen aus, indem sie zugleich die Drohung äußerte: „Were aber nüt, so tragen sie ire Kinder vnder dasbapstum zu töuffen.“ Trotzdem musste sie sich noch eine Reihe von Jahren gedulden, bis ihr Wunsch in Erfüllung ging, und als sie endlich um die Mitte des Jahrhunderts einen eigenen Pfarrer erhielten, wurde demselben in Anbetracht der Kleinheit seiner Gemeinde noch das Diakonat (Amt eines Hilfsgeistlichen) in Wasselnheim übertragen.

Mit der Zeit erkannte man es in Straßburg als eine Notwendigkeit, auch für die weltlichen Beamten der Herrschaft eine besondere Aufsichts- und Visitationsbehörde zu schaffen. Dieselbe wurde im Jahr 1539 ins Leben gerufen, indem eine aus drei Mitgliedern bestehende Kommission ernannt wurde, welche den Titel „die Landherren“ führte und jedes Jahr erneuert werden sollte. Sie war aus einem Stättmeister, einem Dreizehner und einem Fünfzehner zusammengesetzt, und bildete die entscheidende Instanz in allen Verwaltungsfragen. (Die Kammer der „Dreizehn“ und die Kammer der „Fünfzehn“ waren zwei Verwaltungsbehörden der Stadt Straßburg, von welchen die erstere (die Dreizehner) die äußeren Angelegenheiten (den Verkehr mit dem Reichsoberhaupt, den Reichständen und fremden Staaten, ferner alle geheim zu haltenden Gegenstände und Ähnliches) zu besorgen hatte, während letztere (die Fünfzehner) mit der inneren Verwaltung des städtischen Gemeinwesens betraut war.)

Unter dem Schutze des protestantischen Straßburgs erfreute sich Wasselnheim nach der Einführung der Reformation sechs Jahrzehnte hindurch einer ungestörten, segensreichen Ruhe, die seine Entwicklung nach innen und außen in der günstigsten Weise förderte. Sowohl von den Gräueln des Bauernkrieges als auch von den durch die religiösen Wirren hervorgerufenen Kämpfen, welche in anderen Teilen des Reiches tobten, blieb es zu seinem Glücke verschont, wurde aber gleichwohl an die Händel der Welt von Zeit zu Zeit auf die eine oder andere Weise erinnert. So schlug unter anderem im Jahre 1554 ein hoher geistlicher Würdenträger namens Edmund Grindal, der vor den blutigen Religionsverfolgungen der Königin Maria der Katholischen aus England hatte fliehen müssen, in Wasselnheim seinen Wohnsitz auf und verweilte nahezu sechs Jahre hier in dem Hause des damaligen Pfarrers Heldelin. Nach dem Tode Marias in sein Vaterland zurückgekehrt, stieg er zu den höchsten kirchlichen Würden empor, bewahrte aber bis zu seinem Tode Wasselnheim und seinen Bewohnern ein freundliches Andenken und sandte wiederholt die herzlichsten Grüße  an „den treuen Hirten“, der ihm in so gastlicher Weise sein Haus geöffnet hatte.

Bei der Bürgerschaft machte sich mehr und mehr ein strebsamer, unternehmender Sinn geltend, der sich zunächst in dem Aufschwunge der Gewerbstätigkeit und der damit verbundenen Hebung des Wohlstandes bekundete. Nach dem Beispiel anderer Orte schloss sich die Einwohnerschaft nach den verschiedenen Berufsarten in eine Anzahl von Zünften zusammen, und zum Zweck der Verteidigung des Fleckens wurde eine Schützengesellschaft gegründet. – Aber auch die höheren Interessen wurden nicht vernachlässigt. Da man zur Überzeugung gekommen war, dass ein Geregelter Unterricht der Jugend unerlässlich sei, und dass die Gemeinde zur Herbeiführung eines solchen ein Opfer bringen müsse, so entschloss man sich im Jahr 1563, ein geräumiges Schulhaus zu erbauen. Dasselbe dient noch heute als solches für die evangelische Knabenschule. – Wir fügen zugleich hinzu, dass im Jahre 1600 auch die Kirche erweitert wurde, da sie zu eng und baufällig geworden war. Die Baukosten wurden aus dem Ertrage der Kirchengüter (der sogenannten „Heiligengüter“) bestritten.

Die Erwerbung Wasselnheims durch Straßburg hatte die hier befindlichen Besitzungen der Abtei Hornbach nur insofern berührt, als die öffentliche Gewalt, unter der auch sie standen, nebst der Schirmvogtei von den bisherigen Vögten an den von dem Straßburger Magistrat ernannten Amtmann übergegangen war; alle dem Abte zuständigen Rechte waren ihm dabei unverletzt erhalten worden. Endlich sollte aber auch hierin eine Änderung eintreten. Die Reformation hatte bewirkt, dass das Kloster Hornbach (bei Zweibrücken) von sämtlichen Mönchen verlassen worden war, und dass der Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken es im Jahr 1558 für aufgehoben erklärte und seine Güter einzog. Dabei gelangte auch der seit acht Jahrhunderten der Abtei gehörige obere Dinghof zu Wasselnheim mit den dazu gehörigen Gütern, Gefällen und Rechten in seinen Besitz. Einen großen Teil der eingezogenen Güter verwandte der Pfalzgraf nach dem Beispiel anderer protestantischer Fürsten zur Errichtung eines Gymnasiums (in dem Hornbacher Klostergebäude selbst), den hiesigen Dinghof dagegen mit allem Zubehör verkaufte er im Jahr 1563 um 6400 Gulden an die Stadt Straßburg. Damit hatte diese letztere endlich das von Anfang an angestrebte Ziel, nämlich alle Besitzungen und Rechte der in Wasselnheim begüterten Großgrundbesitzer ohne Ausnahme in ihrer Hand zu vereinigen, nahezu erreicht; denn schon früher hatte sie 8WIE Teil 1, S 22 mitgeteilt wurde) die Güter der anderen Grundherren angekauft und die verschiedenen Berechtigungen abgelöst bis auf eine, die sie zu ihrem lebhaften Missbehagen niemals zu erwerben vermachte. Es war dies das Anrecht der Herrn von Lützelburg auf einen Teil des Fruchtzehnten, das denselben, wie oben berichtet wurde, im Jahr 1489 von einem Schiedsgerichte zugesprochen worden war, und das sie festhielten, so lange überhaupt der Zehnte entrichtet wurde.

 Leider sollte das Jahrhundert nicht schließen, ohne auch die Geschichte Wasselnheims durch einige dunkle Blätter zu bereichern. Der krankhafte Wahn, dass es dem Menschen möglich sei, mit höllischen Mächten Umgang zu pflegen und mit ihrer Hilfe übernatürliche Wirkungen hervorzubringen, ergriff gegen Ende des Jahrhunderts auch hier die Gemüter und bewirkte, dass 1585 und 1596 mehrere Personen der Hexerei und Zauberei angeklagt und vermutlich öffentlich verbrannt wurden. (Straßburger Archiv. Leider findet sich nur noch eine kurze Notiz hierüber in dem Archiv, während die Prozessakten nicht mehr vorhanden sind.)

Ein anderes Übel stellte sich im Jahr 1587 ein. Einige Jahre zuvor waren in Frankreich die Hugenottenkriege wieder mit erneuter Wut ausgebrochen, und die Schweiz sowie mehrere protestantische Fürsten Deutschlands sammelten 1587 im Unter-Elsassein beträchtliches Heer, das sie den Hugenotten zuführen wollten. Um diesen Plan zu vereiteln, besetzte der Herzog von Lothringen, eines der Häupter der Lique (der katholischen Partei in Frankreich) die Vogesenpässe. Unglücklicherweise war das genannte Jahr ein Hungerjahr, und da beide Heere am Nötigsten Mangel litten, raubten und plünderten sie das Land aus. Am 6. August traf dieses Los auch Wasselnheim; es wurde von einer Truppenabteilung des protestantischen Heeres überfallen und geplündert. Nur das stark befestigte Schloss entging diesem Schicksal. – Wenige Tage darauf gelang es dem deutschen Heere die Vogesen zu überschreiten und in Frankreich einzudringen; es wurde aber von den liguistischen Truppen in mehreren Treffen geschlagen und sah sich genötigt, Ende Dezember den Rückzug anzutreten und sich diesseits der Vogesen gänzlich aufzulösen. Ihm folgten auf dem Fuße liguistische Soldtruppen, meist Reiter (gleichfalls deutscher Nationalität) welche bisher in Frankreich gegen die Hugenotten gekämpft hatten, nun aber entlassen waren und im Elsass ihre Ablöhnung erwarten sollten. Da man auch von ihnen Gewalttätigkeiten erwartete, hatte die Stadt Straßburg 200 Schützen nach Marlenheim und Wasselnheim gelegt. Die gehegten Befürchtungen erfüllten sich zwar nicht; trotzdem kam es aber in Wasselnheim zu einem kleinen Zusammenstoß. Als nämlich Ende Januar 1588 einer der entlassenen Hauptleute mit seinen Reitern durch den Flecken zog, schoss einer von ihnen in die Wachstube der Straßburger Schützen, diese erwiderten den unliebsamen Gruß so rasch und heftig, dass acht Reiter auf dem Platze blieben und der Hauptmann (Melchior von Rynach) unter Zurücklassung etlicher mit allerlei Gut beladener Wagen nach Molsheim entfliehen musste. Zwei Jahre nachher, als im Elsass wiederum Truppen für die Hugenotten gesammelt wurden, fiel der Herzog von Lothringen aufs neue ins Land und überschwemmte Anfangs Dezember Wasselnheim mit 800 Mann, die einen Tag über ihr Quartier hier nahmen und sich nicht durch allzu große Bescheidenheit auszeichneten. Von der Eroberung des Schlosses nahm er Abstand, da ihm die Zeit dazu fehlte.

Eine neue Heimsuchung, gleichfalls von lothringischer Seite, brachte das Jahr 1592. Im Frühjahr desselben hatte die zum Protestantismus übergetreten Mehrzahl der Straßburger Domherren den Marktgrafen Johann Georg von Brandenburg zum Bischof erwählt, während die der katholischen Kirche treu gebliebene Minderzahl bald nachher ihrerseits den Kardinal Karl von Lothringen wählte. Der letztere beschloss, sich mit Waffengewalt des Bistums zu bemächtigen und besetzte schon am Tage seiner Wahl mit zahlreichen Truppenmassen Zabern, um von hier aus die Stadt Straßburg zu bekriegen, die sich für den protestantischen Bischof erklärt hatte. Am 8. Juli zog der Kardinal mit großer Macht vor das hiesige Schloss und die aus 88 bestehende Besatzung übergab dasselbe bei der ersten Aufforderung, trotzdem sie mit Waffen und Munition aufs reichlichste versehen war. (Man fand bei der Übergabe 20 Geschütze und 16 Tonnen Pulver.) Zum Schluss des Tages wurde Wasselnheim von den feindlichen Truppen geplündert, wobei dieselben die größten Schändlichkeiten begingen. Der Kardinal suchte später sein Verfahren zu rechtfertigen, indem er behauptete, den Seinigen sei gerade von Wasselnheim aus großer Schaden zugefügt worden. Erst 1595 wurde der Stadt Straßburg das Schloss zurückgegeben.  

Ein Vierteljahrhundert lang herrschte nun wieder Ruhe und Friede. Die Gemeinde erholte sich bald von den schweren Schlägen, die sie getroffen hatten, und konnte sich mit neuem Eifer der Pflege ihrer inneren Angelegenheiten zuwenden. Nachdem man, wie bereits berichtet worden, im Jahr 1600 die Kirche erneuert hatte, schritt man 1605 zur Erbauung einer Bürgerstube auf dem Marktplatz. Man verstand darunter ein öffentliches Gebäude, welches den Gemeindebehörden und Zünften zum Versammlungsorte zu dienen bestimmt war, und in welchem gleichzeitig unter der Aufsicht der Ortsobrigkeit eine Wirtschaft betrieben werden sollte. Mit letztere Einrichtung gedachte man ein gutes Geschäft zum Besten der Gemeindefinanzen zu machen. Denn da die Bürger bis dahin bei ihren Versammlungen in bestimmten Wirtshäusern nicht wenig zu verzehren pflegten, so hoffte man, so hoffte man, dass sie diese löbliche Gewohnheit auch bei dem „Stubenwirt“ nicht ablegen und letzterer dadurch in den Stand gesetzt würde, einen erklecklichen Pachtzins an die Gemeindekasse zu zahlen. (Das Gebäude befindet sich heute im Besitze von Herrn David Imler) Diese Erwartung scheint auch vollständig in Erfüllung gegangen zu sein. Denn wie vorhandene Rechnungen beweisen, fand keine Sitzung statt, ohne dass zum Schlusse tapfer gezecht wurde, bei gewissen Gelegenheiten sogar auf Kosten der Gemeinde. Später wurde noch bestimmt, dass bei allen Verkäufen liegender Güter der „Weinkauf“ auf der Bürgerstube getrunken werden solle, und endlich wussten die Stubenwirte ihren Vorteil unausgesetzt im Auge zu behalten, indem sie darauf drangen, dass auch die Hochzeitsschmäuse bei ihnen gehalten, keine neuen Wirtschaftsberechtigungen erteilt würden u.a.d.m. – Das Holz zu dem Gebäude wurde unentgeltlich von der Stadt Straßburg aus dem Odenwald geliefert und der Bau noch in dem genannten Jahr beendigt.

Die durch die friedlichen Zustände begünstigte allmähliche Zunahme des Wohlstandes der Bevölkerung bewirkte, dass auch die Beteiligung an der Schule immer zahlreicher wurde und endlich ein Lehrer nicht mehr genügte. Im Jahr 1612 wurde deshalb dem Pfarrer die Pflicht auferlegt, einen Teil des Schulunterrichts zu übernehmen.  Der Hierdurch geschaffene Zustand scheint dreißig Jahre gedauert zu haben, denn im Jahre 1642 wurde ein (wie es scheint der erste) „Helfer“ d.i. Hilfsgeistlicher in Wasselnheim angestellt und an Stelle des Hauptpfarrers mit dem Unterricht der älteren Kinder betraut.

So stand das Gemeinwesen in schöner Blüte, als der Dreißigjährige Krieg ausbrach, der furchtbarste von allen, welche je die deutschen Lande verwüstet haben. Bekanntlich wurde während desselben das Elsaß sehr schwer heimgesucht, und auch Wasselnheim musste wiederholt seine Schrecken empfinden. An einer der wichtigsten Heerstraßen gelegen und weder durch Wälle noch Gräben geschützt, nur mit einigen, kein ernstliches Hindernis bildenden Toren versehen, war es jedem Ansturm preisgegeben. Dass es trotzdem der Vernichtung entging, hatte es nur dem Umstand zu danken, dass es zu dem Gebiete der freien Reichsstadt Straßburg gehörte, die sich gleich zu Beginn des Krieges neutral erklärt hatte und diese Stellung bis zum endlichen Friedensschlusse, freilich unter tausend Schwierigkeiten und mit oft sehr bedenklichen Schwankungen einzuhalten bestrebt war. – Abgesehen von den unzähligen Truppendurchmärschen, die allen am Kriege beteiligten Parteien gestattet werden mussten, und die wir nicht alle aufzählen können, sind die wichtigsten Vorfälle aus jener zeit folgende.

Als im Jahr 1621 der tapfere Graf Ernst von Mansfeld vor dem überlegenen Heer Tillys aus der Rheinpfalz in das Elsaß hatte zurückweichen müssen und die Stadt Zabern belagerte, schweiften seine Truppen im Land umher und brandschatzten die Dörfer und Städte. Ende Dezember erschien auch eine Abteilung vor Wasselnheim und drang trotz der geschlossenen Tore in den Flecken ein. Sie zechten mehrere Tage lang, ohne zu zahlen, forderten Brot und Mehl für ihr Lager und nötigten den Amtmann, die hier ansässigen bischöflichen Untertanen auszuweisen. Hierauf zogen sie wieder ab, ohne sich weitere Gewalttätigkeiten zuschulden kommen zu lassen.

Im Frühjahr des folgenden Jahres, nachdem Ernst von Mansfeld nach der Pfalz abgezogen war, wurde das Unterelsass von kaiserlichen Truppen besetzt, welche aber die Neutralität des Straßburger Gebietes ebenso wenig respektierten. Auch sie verschafften sich Eingang in Wasselnheim und nahmen den Einwohnern das Vieh weg.

In den folgenden Jahren erklärte sich das Kriegsglück bekanntlich so entschieden für den Kaiser. Dass die protestantische Partei vernichtet schien. Durch das Restitutionsedikt (1529) wurden alle seit 1552 säkularisierten geistlichen Besitzungen zurückgefordert und demgemäss erschien auch in Wasselnheim am 5. Februar 1631 ein kaiserlicher Kommissar (Stättmeister Herlin aus Hagenau) der den Ort für den Kaiser in Besitz nahm und die Kirche, das Pfarrhaus, sowie alle früher dem Kloster Hornbach gehörigen Güter nebst zwei Siebenteln des Zehnten und anderen Gefällen im Namen der katholischen Kirche zurückverlangte. Im Gemeindehaus ließ er das kaiserliche Wappen anschlagen. Der Straßburger Magistrat, welcher durch den Amtmann ohne Verzug von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt wurde, ließ am anderen Tage sein eigenes Wappen neben dem kaiserlichen befestigen und vermehrte die Besatzung des Schlosses, um nötigenfalls mit Waffengewalt seine Rechte zu behaupten. Zu gleicher Zeit erhob er gegen das Vorgehen des kaiserlichen Kommissars Beschwerde bei dem Kaiser selbst. Das jedoch von Seiten dieses letzteren keine weiteren Maßregeln zur Verwirklichung der Restitution ergriffen wurden, war nicht sowohl dem Eindruck den die Vorstellungen des Magistrates machten, als vielmehr dem Umschwung in den politischen Verhältnissen zuzuschreiben, den das siegreiche Vordringen Gustav Adolfs in Norddeutschland unterdessen herbeigeführt hatte. Denn als nach dem Tode dieses Königs das Kriegsglück sich wieder den Kaiserlichen zuneigte, wurde auch der Versuch erneuert dem Restitutionsedikt in Wasselnheim Geltung zu verschaffen. Am 9. November 1635 erschien nämlich der kaiserliche Anführer Marchese von Gerotto mit einer Truppenabteilung in dem Flecken und ließ am Gemeindehaus ein Dokument anheften, in welchem er erklärte, dass er von dem Schlosse sowie von dem ganzen Amt Wasselnheim Besitz ergreife und beides unter den Schutz des Kaisers stelle. Und diesmal war die Sache sehr ernst gemeint; denn die Stadt Straßburg hatte sich durch wiederholte Begünstigung der verbündeten Schweden und Franzosen das heftige Missfallen des Kaisers zugezogen und musste das Schlimmste von ihm befürchten. Doch die Wechselfälle des Krieges verhinderten auch diesmal die wirkliche Durchführung der angekündigten Maßregel.

Noch einmal drohte dem Flecken eine größere Gefahr im Jahre 1636. Schon zwei Jahre vorher war die Bürgerschaft aufgefordert worden, Kriegssteuer an die kaiserlichen Truppen zu zahlen. Im Februar 1636 wurde dieses Ansinnen erneuert und mit den schrecklichsten Drohungen für den Fall etwaigen Ungehorsams begleitet. Der Straßburger Magistrat forderte deshalb die Einwohner auf, ihre wertvollsten Sachen in die Stadt zu flüchten; allein die kaiserlichen Anführer schritten nicht dazu, ihre Drohungen auszuführen. Dagegen wurde im April eine Kompanie Soldaten für einige Zeit als Besatzung in den Flecken gelegt.

Das Jahr 1648 brachte den erschöpften Ländern endlich den heiß ersehnten Frieden, aber noch nicht allen Gegenden auch alsbald Befreiung von allen Kriegslasten. Einem Teil der schwedischen Truppen war bis zur Zahlung der festgesetzten Kriegsentschädigung das Unter-Elsass als Standquartier angewiesen worden. Im Jahr 1649 erhielt in Folge dessen auch Wasselnheim eine schwedische Besatzung; dieselbe zog jedoch vier Wochen später wieder ab, da die Stadt Straßburg eine Übereinkunft mit den Schweden geschlossen und durch Zahlung einer beträchtlichen Summe ihr Gebiet von der Einquartierung losgekauft hatte. – Dagegen wurde der Ort noch in den beiden folgenden Jahren wiederholt durch lothringische Truppen belästigt, die den Krieg gegen Frankreich allein weiterführten, da der Herzog von Lothringen wegen seiner Anhänglichkeit an das deutsche Reich von Ludwig XIV. aus seinem Lande verjagt und von dem Kaiser undankbarer Weise bei dem Friedensschlusse aufgeopfert worden war. Doch zuletzt machte die Erschöpfung auch dieser Plage ein Ende, und Friede und Sicherheit, die man dreißig lange Jahre hindurch so heiß und immer vergeblich herbeigesehnt hatte, kehrten damit endlich wieder.

Im Jahr 1656 wurde das der Stadt Straßburg gehörige Amt Marlenheim, das bis dahin einen eigenen Verwaltungsbezirk gebildet hatte, mit dem Amte Wasselnheim Vereinigt und im folgenden Jahre für das gesamte dem hiesigen Amtmann unterstellte Gebiet ein Landpgysikus (Arzt) Dr. Goller angestellt, der die Armen des Amtes unentgeltlich zu behandeln hatte und in Wasselnheim seinen Wohnsitz nahm. Der Kaum wiedergekehrte Friede sollte leider nicht lange währen. Im Jahr 1672 brach der durch die Herrschsucht und Ländergier Ludwigs XIV. heraufbeschworene holländische Krieg aus, in den bald auch das deutsche Reich verwickelt wurde, da Ludwig XIV. ungescheut das Reichsgebiet verletzte und insbesondere die noch zum Reich gehörigen Teile des Elsaß mit unerhörter Willkür behandelte. Nachdem er ohne Kriegserklärung die Stadt Trier belagert und erobert hatte, nahm er die Güter der Straßburger und Mainzer Kaufleute auf dem Rhein weg, verbrannte die Straßburger Rheinbrücke, ließ die Mauern Colmars, Schlettstadts und anderer elsässischer Reichsstädte abbrechen und beging zahlreiche andere Gewaltakte, die den Kaiser Leopold I. endlich zwangen, nach langem Zögern 1673 an Frankreich den Krieg zu erklären. Obgleich der Marschall Turenne mit unmenschlicher Grausamkeit das pfälzische Gebiet diesseits und jenseits des Reines verwüstete, um den deutschen Truppen das Vorrücken zu erschweren, wurde der Kriegsschauplatz doch bald in das Elsaß verlegt und das Schicksal wollte, dass auch Wasselnheim in dem entbrannten Kampfe eine Rolle spielen sollte. Nach der unentschieden gebliebenen Schlacht bei Enzheim (4. Oktober 1674) sah sich Turenne nämlich genötigt, vor dem anrückenden Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg nach Norden zurückzuweichen und bei Marlenheim ein befestigtes Lager zu beziehen. Er benutzte die Gelegenheit um sich ungeachtet der  Neutralität des straßburgischen Gebietes in wenig ritterlicher Weise des nahen Wasselnheimer Schloss zu bemächtigen, in dem, wie er wusste, große Fruchtvorräte aufgehäuft waren. Unter dem Vorwand, die innere Einrichtung des Schlosses besehen zu wollen, erschienen eines Tages mehrere Franzosen vor dem Tore desselben  und baten um Einlass. Ohne Arg ließ der Amtmann die Tore öffnen, da er durch die Neutralität sich vor jeder schlimmen Absicht geborgen wähnte. Allein rasch füllte sich der Schlosshof mit französischen Soldaten, die sich in der Nähe versteckt gehalten hatten; die aus 60 Mann bestehende Schlossbesatzung wurde überfallen und kampfunfähig gemacht und Schloss und Flecken von den Franzosen in Besitz genommen. In dem Schlosse fand man 14000 Viertel Frucht, die Turenne aus großer Verlegenheit befreiten; denn das Land war ringsum ausgesogen, und das französische Heer litt schon seit einiger Zeit großen Mangel.

Der Marschall legte eine französische Besatzung von 200 Mann in das Schloss, aber es war ihr nur wenige Tage vergönnt, in demselben zu Verweilen. Der Große Kurfürst hatte nämlich sogleich nach seiner Vereinigung mit den österreichischen Truppen (bei Bläsheim) den Entschluss gefasst, ohne Verzug das französische Heer bei Marlenheim anzugreifen und er hegte die Hoffnung, es mit den an Zahl nun weit überlegenen deutschen Streitkräften möglicherweise völlig zu vernichten, da der Rückzug Turennes durch das enge Kronthal erfolgen musste und wegen der steilen Anhöhen zu beiden Seiten dieses Passes nur langsam vonstatten gehen konnte. Allein die unbegreifliche, nur aus kleinlicher Eifersucht oder Verrat erklärliche Weigerung des österreichischen Feldherrn Bournonville, bei dem Unternehmen mitzuwirken, vereitelte die Ausführung des Planes. Der Kurfürst entschloss sich zwar zuletzt, den Angriff allein zu wagen, und ließ eine südöstlich vom französischen Lager gelegene Höhe besetzen; allein Turenne, von der Absicht des Kurfürst unterrichtet, hatte die durch die Weigerung Bournonvilles verursachte Verzögerung benutzt, um das Lager zu räumen und sich in guter Ordnung nach Dettweiler zurückzuziehen.

Der große Kurfürst konnte ihm wegen Mangels an Lebensmittel nicht folgen, beauftragte aber den Generalleutnant Freiherr von der Goltz mit der Wiedereroberung des Wasselnheimer Schlosses. Derselbe erschien mit einer Truppenabteilung am 21. Oktober 1674 vor dem Flecken und schlug sein Lager auf der rechten Seite der Mossig am Fuße des Wanger Berges auf. Er ließ sogleich vom Kotbache aus die Laufgräben gegen das Schloss eröffnen und begann die Beschießung mit zwei Batterien. Die einer derselben stand durch alte Mauern (Gartenmauern) gedeckt, fast am damaligen oberen Ende des Fleckens, in der Nähe der heutigen Kirche, die andere, gleichfalls durch altes Gemäuer geschützt, jenseits des Kotbaches, an der nach Hohgöst führenden Straße. Das Feuer war hauptsächlich gegen die rechts vom Eingang des Schlosses befindlichen drei Türme des (mittleren) Walles gerichtet und hatte solchen Erfolg, dass diese ganze Seite der Umwallung schon am dritten Tag in Trümmern lag und die Franzosen das Schloss übergeben mussten. Nachdem sie Abgezogen waren, ließ der Kurfürst die zerstörten Türme abtragen und gab bald darauf das schloss de4r Stadt Straßburg zurück, welche nun für das Amt Wasselnheim mit Einschluss Marlenheims aufs Neue einen Neutralitätsvertrag mit dem Marschall Turenne abschloss. Am 19. Januar des folgenden Jahres schärfte dieser seinen Unterbefehlshabern in Folge dessen ein 2de n’inquieter en quelque maniere que ce puisse estre, les habitans de Wasselonne et Marlen.“

Zwei Jahre lang wurde die Neutralität des Amtes in der Tat nicht verletzt; aber das Jahr 1677, welches für das Unter-Elsass ein Jahr der furchtbarsten leiden war – der französische Kriegsminister Louvois ließ Hagenau, Weißenburg und zahlreiche andere Städte und Dörfer niederbrennen, um den kaiserlichen Heeren den Aufenthalt im lande unmöglich zu machen – brachte auch Wasselnheim eine neue, schwere Heimsuchung. Im September rückte der französische Marschall Crequi von Lothringen her über die Zaberner Steige in das Elsaß ein, und nachdem er verschiedene andere Orte gebrandschatzt hatte, überfiel er ohne den oben erwähnten Neutralitätsvertrag zu beachten, im Oktober auch Wasselnheim, nahm die vorhandenen Getreidevorräte weg und erlaubte seinen Soldaten, den Flecken zu plündern. Bei seinem Abzug ließ er zwei Kompanien Soldaten zurück, die Schloss und Flecken besetzt hielten. – Dieses brutale, allem Rechtsgefühl Hohn sprechende Verfahren erregte einen Sturm des Unwillens in Straßburg, die ganze Bürgerschaft verlangte laut, dass man die Neutralität aufgeben und offen auf die Seite des Kaisers treten solle, um Genugtuung für die zahlreichen Übergriffe Frankreichs zu erhalten. Der französische Resident Dupré musste durch eine Sicherheitswache vor feindseliger Behandlung geschützt werden, und die Lage erschien ihm so gefahrdrohend, dass er, der früher in seinen Briefen an Louvois stets einen sehr zuversichtlichen Ton angeschlagen und alle Maßregeln desselben gebilligt hatte, ihm nun (am 22. Oktober 1677) schrieb, er selbst habe den Marschall Crequi gebeten, die Besatzung aus Wasselnheim zurückzuziehen, „pour tacherde destourner un orage dont on nous menace.“ Nur mit Mühe konnte der Straßburger Magistrat die Bürgerschaft beruhigen. Die französische Besatzung blieb indessen in Wasselnheim, und erst 1687 wurde das Schloss wieder geräumt und dem Amtmann wie früher der Wohnsitz darin angewiesen.

Der endlich am 26. Januar 1679 zu Nymwegen zwischen Frankreich und dem deutschen Reiche geschlossene Friede machte dem Blutvergießen ein Ende und bewahrte auch Wasselnheim vor weiteren materiellen Schädigungen.

 



b) Wasselnheim unter französischer Oberhoheit

Von 1680 bis zur französischen Revolution

In keinem Kriege, selbst nicht im dreißigjährigen, hatte das Elsaß so schwer gelitten wie in dem vorstehend geschilderten. Wenn irgendwo, so atmeten darum hier alle Herzen erleichtert auf bei der Nachricht von dem Friedensschlusse. Man hoffte wieder auf eine bessere Zukunft, man hoffte ganz besonders auf die Wiederkehr der früheren politischen Zustände; denn die Franzosen hatten durch ihre Mordbrennereien und durch die erbarmungslose Grausamkeit, mit der sie bei der Ausführung ihrer Pläne allenthalben zu Werk gegangen waren, sich den glühenden Hass der Bevölkerung zugezogen. Allein die Erwartungen sollten bitter getäuscht werden. Der Friedensvertrag erwähnte der elsässischen Verhältnisse mit keiner Silbe, die besetzten Reichsgebiete der Provinz wurden nicht geräumt, die französischen Heere nicht aufgelöst, und wenn noch irgend ein Zweifel über die Pläne Ludwigs XIV. walten konnte, so wurde er bald zerstört durch die Einsetzung der Reunionskammer zu Breisach. (Andere Reunionskammern waren in Metz, Besancon und Doornick (Tournay) errichtet) Es war dies eine neu errichtete Behörde, welche den Auftrag hatte, alle Gebiete ausfindig zu machen, welche jemals durch Lehensverhältnis oder auf irgendeine andere weise mit den im Frieden zu Münster (1648) an Frankreich abgetretenen elsässischen Landesteilen verbunden gewesen seien. Dieselben sollten rechtlich zu Frankreich gehörend, von Ludwig XIV. in Besitz genommen werden. Die Breisacher Kammer ging bekanntlich so gründlich zu Werk, dass sie fand, das ganze Elsass mit der einzigen Ausnahme der Stadt Straßburg gehöre eigentlich von Rechts wegen zu Frankreich, und demgemäss verfuhren die französischen Beamten.            

Am 9. August 1680 erschien auch in Wasselnheim, welches noch immer von französischen Truppen besetzt war, ein königlicher Kommissar, nahm den Flecken sowie das ganze Amt mit Einschluss Marlenheims für Ludwig XIV. in Besitz und forderte den Amtmann und den Schultheißen auf, dem französischen König den Eid der Treue zu leisten. Beide weigerten sich, diesem Verlangen nachzukommen; der Straßburger Magistrat erhob Beschwerde gegen diesen Gewaltakt bei dem Kaiser und bei dem französischen König; aber Alles war vergeblich. Der verhaftete Amtmann wurde gezwungen, vor dem hohen Rat (Conseil souverain) zu (Alt)Breisach den Treueid zu schwören, und bald darauf mussten die durch Drohungen eingeschüchterten Bewohner des Amtes gleichfalls Gehorsam geloben. So kam Wasselnheim unter die Oberhoheit Frankreichs. – Da die Stadt Straßburg sich dieser mitten im Frieden und selbst ohne jeden Schein eines Rechtes stattfindenden Beraubung nicht beruhigen wollte, so wurde sie vom hohen Rat zu Breisach aufgefordert, ihre Rechte an dem Amt Wasselnheim zu beweisen. Der Magistrat reichte eine Denkschrift ein, in welcher nach einem kurzen Überblick über die frühere Geschichte Wasselnheims dargelegt war, wann und wie die Stadt das Amt nebst seinen Gefällen und verschiedenen Gerechtsamen erworben habe; als Belege waren die wichtigsten Kauf- und Belehnungsurkunden in Abschrift beigefügt. Der hohe Rat verlangte die Originalurkunden, und auch diese wurden vorgelegt. Trotzdem erfolgte die Zurückerstattung nicht. Erst 1683, nachdem unterdessen die Stadt Straßburg selbst – auf welche Weise ist nicht bekannt – von dem „allerchristlichsten“ König dem Reiche entrissen worden war, wurde ihr das Amt Wasselnheim zurückgegeben und der von der Stadt zum Lehensträger bestellte Universitätskanzler Johann Georg Redlisse am 3. April damit belehnt. – Wir bemerken hier sogleich, dass auch unter der französischen Herrschaft die Belehnung öfters erneuert wurde. Die letzte, welche wir verzeichnet finden, fand am 6. Juli 1742 vor dem hohen Rate zu Breisach statt. Johann Jakob von Müllenheim leistete als Lehensträger der Stadt den Treueid wie das Protokoll besagt: „Etant entré dans la Chambre du Conseil ...., étant en bottes sans épée, éperons ni gands, nue téte, ayant mis un genoux en terre, a promis et juré sur l’Evangile etc.“ (Eigentümlich ist an diesem Zeremoniell, dass der Lehensträger „ohne Degen, Sporen und Handschuhe“ also ohne die äußeren Zeichen der Ritterbürtigkeit den Eid leisten musste, während unter den deutschen Kaisern ausdrücklich vorgeschrieben war, dass der Lehensträger „ein edler, rittermäßig geborener Mann“ sein müsse.)

In den ersten Jahren nach der geschilderten  französischen Vergewaltigung Wasselnheims wurde nichts an den bestehenden Einrichtungen geändert; bald jedoch sollte sich die Bevölkerung davon überzeugen, dass ihre amtlich anerkannte Zugehörigkeit zu Straßburg sie nicht vor den folgenschweren Eingriffen der französischen Verwaltung in ihr öffentliches und häusliches Leben bewahren konnte. Die erste Maßregelung dieser Art erfolgte im Jahr 1685 durch eine Verordnung des Intendanten des Elsass (Der „Intendant de la justice, police, finances et vivres“ war der oberste Verwaltungs- und Aufsichtsbeamte der Provinz. Seine Stelle war schon 1645 geschaffen worden.) vom 2. Januar, durch welche unter Androhung einer Strafe von 500 Livres vorgeschrieben wurde, dass alle Gerichtsverhandlungen, alle Verträge und Protokolle, kurz alle amtlichen Schriftstücke fortan in französischer Sprache abzufassen seien.

Einige Monate später erging eine weitere Verordnung desselben Beamten, dass alle Bewohner des Elsass sich auf französische Art zu kleiden hätten. Doch weder die eine noch die andere Bestimmung ließ sich streng durchführen, die erstere nicht, weil z.B. hier in Wasselnheim kein Mensch genügend Französisch verstand, um sich in dieser Sprache auszudrücken; die letztere nicht, weil die gesamte Bevölkerung mit zäher Hartnäckigkeit an ihren von den Vätern ererbten deutschen Sitten und Bräuchen festhielt und eine Bestrafung aller unmöglich war. So blieb denn nicht nur die Kleidung, sondern auch die Sprache deutsch, und bis zur französischen Revolution wurden alle nicht direkt an den Intendanten oder den hohen Rat gehenden Schriftstücke in dieser Sprache abgefasst.

Größeren Erfolg hatten dagegen die Eingriffe der französischen Regfierung auf einem anderen Gebiete, nämlich auf dem religiösen. Bekanntlich glaubte der alternde Ludwig XIV. seine Jugendsünden durch Ausrottung der protestantischen Ketzerei aus seinen Staaten abbüßen zu können, und wenn auch die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) nicht auf das Elsaß ausgedehnt und keine Dragonnaden zu dem Bekehrungswerke angewandt wurden, so blieb die Provinz dennoch nicht von dem Bekehrungseifer verschont. Bereits 1683 wurden durch eine Verordnung des Intendanten Lagrange alle, die zur katholischen Kirche zurückkehren würden, auf drei Jahre Einquartierung und von Zahlung der Abgaben und Schulden befreit, während der Übertritt zum Protestantismus bei strenger Strafe verboten wurde („les hommes seront condamnés aux galéres perpétuelles et les femmes à ètre rasées et enfermées pour toujours“).

Diese Bestimmungen, die auch für Wasselnheim galten, zeigten sich hier bald wirksam, indem zwei protestantische Bürger sich bereit erklärten, ihren Glauben abzuschwören und es auch taten. Da bald darauf noch mehrere (6) katholische Arbeiterfamilien einwanderten, so war der Grundstock zu einer katholischen Gemeinde gewonnen (40 Seelen). Am 25. Juli 1685 erschien deshalb der Intendant Lagrange zu Wasselnheim, ließ die Kirche öffnen und verlangte im Namen des Königs, dass den Katholiken das Chor zur Abhaltung ihres Gottesdienstes eingeräumt werde. Die Beschwerden und Bitten, sowohl der Gemeinde als auch des Straßburger Magistrats bewirkten nur, dass sie vorläufige Ausführung dieser Maßregel  bis zum zweitfolgenden Sonntag aufgeschoben wurde; dann fand der erste katholische Gottesdienst statt. Der Pfarrer von Hohgöst las die erste Messe und versah auch ferner Seelsorge und Kirchendienst bis zum Jahre 1689. Nachdem der Amtmann noch längere Zeit hindurch fruchtlose Verhandlungen mit dem Intendanten geführt hatte, wurde endlich das Chor der Kirche den Katholiken definitiv überlassen und von dem Schiffe durch eine Riegelwand geschieden; im Jahr 1686 musste diese „Separation“ jedoch auf Befehl des Intendanten beseitigt werden.Auch damit war die leidige Angelegenheit noch nicht beendigt; denn nun erhob sich Streit darüber, wer die Kirche zu unterhalten habe, und zu welcher Stunde der Gottesdienst jedes Teiles stattfinden sollte? Die Katholiken weigerten sich, einen Beitrag zu den Unterhaltungskosten der Kirche zu leisten, und da ähnliche Streitigkeiten auch an anderen Orten schwebten, so traf der hohe Rat durch eine Verordnung vom 20. August 1686 die allgemeine Entscheidung, dass das Chor der Kirche durch den Zehntherren, das Schiff aber durch die Gemeinde zu unterhalten sei, während die Ausgaben für Kirchengeräte, Verzierungen etc. von den Kirchenfabriken der betreffenden Religionsgenossenschaften bestritten werden sollten. In Wasselnheim waren die Stadt Straßburg und die Edlen von Lützelburg die Zehntherren; ihnen fiel deshalb die Unterhaltung des Chores zur Last. Der Streit über die Stunde des Gottesdienstes wurde im folgenden Jahre dadurch geschlichtet, dass bestimmt wurde, den Katholiken solle die Kirche von 7-9 Uhr morgens, den Protestanten aber in den Stunden nach neun Uhr zur Verfügung stehen.

Eine andere Aufregung ähnlicher Art brachte das Jahr 1686. Schon einige Jahre vorher war von dem Intendanten verordnet worden, dass die Amtleute, Amtschreiber und Schultheißen allenthalben im Elsass Katholiken sein und Protestanten in diesen Ämtern nicht mehr geduldet werden sollten. In Wasselnheim waren trotzdem die protestantischen Beamten beibehalten worden, weil einerseits der Straßburger Magistrat die Durchführung jener Verordnung nicht befohlen hatte, andererseits aber auch gar keine Katholiken zur Besetzung der Ämter vorhanden waren. Im Jahr 1686 sah sich der Magistrat hauptsächlich auf Betreiben des zur katholischen Kirche übergetretenen Syndicus Günzer in Straßburg genötigt, die protestantischen Inhaber der genannten Ämter abzusetzen und an ihrer Stelle Katholiken zu ernennen. (Dasselbe geschah zu Marlenheim). Als in demselben Jahr eine Anzahl von Protestanten und Katholiken aus Wasselnheim um Nachlass der Steuern und Fronen sowie um die Erlaubnis Wein zu verkaufen nachsuchten, wusste Günzer es dahin zu bringen, dass den Katholiken die Bitte gewährt, den Protestanten aber verweigert wurde. Er erhielt dafür von dem Minister Louvois in einem Schreiben vom 10. Juni1686 eine ausdrückliche Belobung im Namen des Königs.

Die großen materiellen Vorteile, welche den Konvertierten geboten wurden, bewirkten, dass die Übertritte sich mehrten und sich bald das Bedürfnis einer katholischen Schule fühlbar machte. Eine solche wurde im Jahr 1687 errichtet und zwei Jahre nachher erfolgte auch die Anstellung eines eigenen katholischen Geistlichen. Nachdem derselbe 10 Jahre lang in einem Privathause gewohnt hatte, wurde die Gemeinde auf Befehl des Intendanten vom Straßburger Magistrat angewiesen, für ein katholisches Pfarrhaus zu sorgen, und wählte 1699 hierzu das Haus des Amtsschreibers.

Durch die mannigfaltigen Belästigungen, welchen sich die Protestanten mit dem zunehmenden Alter Ludwigs XIV. immer mehr ausgesetzt sahen, wurden viele zum Auswandern veranlasst. (Mehrere früher erlassene Verordnungen wurden im Laufe der achtziger Jahre auch auf das Amt Wasselnheim ausgedehnt, so z.B. die Vorschrift, dass alle unehelichen Kinder im katholischen Glauben zu erziehen seien, ferner die Bestimmung, dass die Kinder nichtkatholischer Eltern, wenn sie zur katholischen Kirche übertretenb wollten, vom siebten Lebensjahre das Recht haben sollten, selbst ihren Aufenthaltsort zu wählen, die Eltern aber verpflichtet seien, ihnen bis zur Mündigkeit einen standesgemäßen Unterhalt zu gewähren u.a.)

Allein da die Steuerkraft des Landes dadurch geschwächt wurde, so verbot die Regierung 1686 das Verlassen der Provinz ohne Genehmigung des Königs und nötigte den Straßburger Magistrat, auch in Wasselnheim diesem Verbote Wirksamkeit zu verleihen. Dasselbe wurde im Jahr 1699 erneuert.

Dass bei der Herrschaft solcher von oben herab befolgten Grundsätze auch die Juden sich keiner besonderen Begünstigung zu erfreuen hatten, versteht sich von selbst. Schon früher hatte man denselben in Wasselnheim wenig Entgegenkommen gezeigt und dadurch bewirkt, dass sie keine Niederlassungen hier gründeten. Man duldete aber, dass sie von den umliegenden Dörfern aus den Flecken zu Handelszwecken besuchten, und hatte ihnen gestattet, mit Erlaubnis des Amtmanns und gegen Entrichtung einer besonderen Abgabe auf dem Wochenmarkte bestimmte Gegenstände feil zu halten. Da wagte es im Jahr 1698 ein Jude von Westhofen, einen ständigen Laden hier anzulegen und ohne vorher nachgesuchte Erlaubnis seine Waren auch auf dem Markte öffentlich feilzubieten. Die Bürgerschaft war ob dieser unerhörten Kühnheit außer sich vor Erstaunen und ebenso darüber, dass man von amtlicher Seite nicht sogleich gegen dieses Unterfangen einschritt, sondern es ruhig geschehen ließ. Die deswegen vorgebrachten Klagen wurden von dem Amtmann nicht berücksichtigt; darum wandten sich die durch den jüdischen Handelsmann geschädigten Geschäftsgenossen endlich an den Magistrat zu Straßburg, und dieser bewirkte, dass „die Sache abgestellt“ wurde.

Wie in dieser Angelegenheit, so zeigen die Wasselnheimer Handwerker und sonstigen Geschäftsleute sich auch bei zahlreichen anderen Veranlassungen übereifrig in der Wahrung ihrer Interessen, und es ist nicht zu verkennen, dass im Laufe des 17. Jahrhunderts überhaupt immer mehr der Geist kleinlichen, gehässigen Brodneides und unverhüllter Selbstsucht unter der Bürgerschaft Platz greift, der gegen die freiere Denkweise des vorhergehenden Jahrhunderts sehr unvorteilhaft absticht. Gewiss trug die Not der Zeit am meisten dazu bei, diesen Gesinnungswechsel hervorzurufen. Die unaufhörlichen Kriege des Jahrhunderts trafen gerade das Elsass mit doppelter Schwere. In seinen Gauen wurden die blutigen Kämpfe ausgefochten und auch bei allen anderen war das Land durch unaufhörliche Truppendurchmärsche oder als Standquartier ganzer Heere stets in direkte Mitleidenschaft gezogen. So zehrte jeder Krieg an seinem Marke und schlug seinem Wohlstand tiefe Wunden. Aber trotzdem wurde die Provinz von der französischen Regierung in derselben Weise wie alle anderen, ja wie es scheint zuweilen in noch höherem Grade mit den drückendsten Steuern belastet, und Tausende waren kaum noch im Stande, den an sie gestellten Anforderungen zu genügen. „Il y a“, schreibt der Finanzminister Pontschartrain am 16. Mai 1692 an den elsässischen Intendanten Lagrange, „plus d’argent dans votre intendance que dans aucune autre, et vous pouvez, si vous voulez, faire aussi bien vostre devoir en finances, que le font tous les autres intendan du royaume. (In Ihrer Intendanz ist mehr Geld, als in irgent einer anderen vorhanden, und Sie können, wenn Sie wollen, in Geldsachen ebenso gut Ihre Pflicht tun, wie alle anderen Intendanten des Königreichs.) Der Intendant aber antwortet (am 3. Juni): „Je ne scay, monsieur, qui vous a fait entendre que l’alsace est riche; il n’y a rien moins que ce qui vous en a esté dit. Les denrées s’y vendent à présent, mais il y a de fort gros quartiers d’hyver qui consomment ce que les habitans en tirent, et l’on doit demeurer d’accord que, dans Strasbourg ny dans aucun antre lieu de la province, il n’y a personne qui ait du bien plus qu’il lui en faut, que pour vivre médiocrement.“ („Ich weiß nicht, wer Ihnen mitgeteilt hat, dass das Elsass reich sei; es ist nichts weniger der Fall, als das, was man Ihnen hierüber gesagt hat. Die Bodenerzeugnisse finden zwar gegenwärtig Käufer, aber die vorhandenen sehr starken Winterquartiere verzehren wieder, was die Bewohner daraus lösen, und es steht fest, dass man weder in Straßburg, noch an irgend einem anderen Orte der Provinz irgend Jemand findet, der mehr Vermögen besäße, als zu einem mittelmäßigen Auskommen erforderlich ist.) Darum findet es der Intendant auch sehr bedenklich, in dem Elsass gewisse, von dem Minister in Aussicht genommene neue, käufliche Beamtenstellen (der königlichen Procuratoren, Steuerempfänger und Stadtschreiber) ins Leben zu rufen, und rät, das Vorhaben wenigstens zu vertagen. Aber der König braucht Geld, und das Elsass muss zahlen; die käuflichen Stellen werden geschaffen, und der Kriegsminister Barbesieur schreibt dem Intendanten am 13. Dezember 1692: „Comme le roy a présentement besoin d’argent, vous ne sauriez mieux lui faire vostre cour, qu’en donnant vos soins, pour que celles (die neuen Beamtenstellen) qui ont esté crées dans cette province, soient débitées, et que l’on en tire le plus qu’il sera possible, ce quy est un vray moyen de faire que Sa Majesté soit contente de vos services,“ („ Da der König gegenwärtig Geld braucht, so können Sie sich nicht besser bei ihm beliebt machen, als indem sie dafür Sorge tragen, dass die in dieser Provinz geschaffene Stellen verkauft werden, und dass man soviel daraus löst, als nur irgend möglich ist; es ist dies in Wahrheit ein Mittel, um zu bewirken, dass S.M. mit Ihren Diensten zufrieden ist.)

Unter solchen Zeitumständen, wo die Untertanen in den Augen des Fürsten genau nur so viel Wert besaßen, als sich Steuern von ihnen erpressen ließen, ist es klar, dass der Einzelne zum Egoisten werden musste, wenn er sein Dasein fristen wollte, und dass der schwere Druck ihm kaum die Möglichkeit ließ. Die edleren Seiten des Gemütes zu entfalten. Ängstlich musste er gegen jegliche Beeinträchtigung seiner Interessen auf der Hut sein, gierig auf jeden kleinen Vorteil lauern, da er Nichts zu verlieren hatte. So hören wir denn auch die Einwohner Wasselnheims in jener Zeit fast unausgesetzt über Schädigung durch auswärtige Konkurrenten klagen und um gänzliche Ausschließung derselben vom hiesigen Orte oder wenigstens um möglichst weitgehende Beschränkung ihrer bisherigen Berechtigung bitten. Bald sollen alle auswärtigen Händler ohne Ausnahme, bald nur die der nächsten Dörfer vom Markte verbannt werden; bald wieder soll das Verbot sich nur auf gewisse Klassen wie Hafner, Weber, Hutmacher, Seiler u.a,, bald wieder nur auf den Verkauf gewisser Artikel erstrecken. So sollen die Gerber nur eine Leder-, die Wollweber nur eine Wollwarensorte feil halten dürfen; so soll den Hafnern von Mauersmünster gestattet werden, den Markt zu besuchen, aber nur wenn die hiesigen das Recht erhalten, ihre Erde in Maursmünster zu holen u.s.w.

Umso mehr muss es daher befremden, dass der oben erwähnte jüdische Handelsmann diesen Anschauungen zu trotzen wagte. Woher nahm er den Mut dazu? Die Antwort auf diese Frage gibt uns die Amtsführung des damaligen Amtmannes Abraham Koch.

Die von der französischen Regierung zum Zweck der Bekehrung der elsässischen Protestanten angewandten Mittel hatten zur Folge, dass viele unlautere Charaktere sich zum Übertritte drängten, und dass in zahlreichen Fällen nicht die innere Überzeugung, sondern die Aussicht auf weltliche Vorteile, auf Ämter und Ehren den Antrieb zur Bekehrung bildeten. (Günzer erhielt für seinen Übertritt 50.000 Gulden und eine jährliche Pension.) Zu dieser Klasse von Bekehrten gehörte offenbar auch der 1686 ernannte hiesige Amtmann Abraham Koch, und seine Amtführung offenbarte bald die Unlauterkeit seiner Gesinnung.  Da er außergewöhnlichen Aufwand machte und seine Einnahmen dazu nicht reichten , so sah er sich genötigt, Schulden zu machen. Als diese Quelle zu versiegen begann, ging er einen Schritt weiter und unterschlug herrschaftliche Gelder, und da der Ausfall in der Kasse gedeckt werden musste, so fälschte er die Steuerregister und erhob höhere Abgaben als veranlagt waren. Wiederholt liefen Klagen und Beschwerden gegen ihn bei dem Straßburger Magistrat ein; aber die mächtigen Gönner des Mannes wussten ihn zu halten, bis endlich im Jahr 1697 der öffentliche Unwille so laut wurde, dass der Magistrat sich zur Einleitung einer Untersuchung genötigt sah. Das Ergebnis war derart, dass Koch gefesselt nach Straßburg geführt und längere Zeit gefangen gehalten wurde. Endlich wurde er gegen Kaution freigegeben, und der Einfluss seiner Beschützer so groß, dass er bald nachher sogar wieder in sein Amt eingesetzt wurde.

Um ihm jedoch die Wiederholung ähnlicher Veruntreuungen unmöglich zu machen, wurde die schon früher erlassene, aber nicht immer befolgte Verordnung wieder aufgefrischt, dass sämtliche Steuern und Abgaben stets nur in Gegenwart des Schultheißen und der Schöffen (des Gerichts) „verteilt“, das heißt veranlagt werden sollten; es wurde ferner beschlossen, die herrschaftlichen Gefälle alljährlich zu verpachten. Auch wurde anfangs der Schultheiß mit der Erhebung der Pachtsumme beauftragt; doch nach Hinterlegung einer entsprechenden Kaution erhielt Koch auch diese Amtsbefugnis zurück. Aber kaum war er soweit gelangt, als er auch das alte Spiel wieder begann. Er machte aufs Neue große Schulde, und zwar bei Westhofener Juden (der Hauptgläubiger war ein gewisser Weil) und verpfändete ihnen einen Teil der herrschaftlichen Güter, die er zu verwalten hatte. Wahrscheinlich war auch der unternehmende Ladengründer an diesem Geschäft beteiligt und wollte die selbstverschuldete Abhängigkeit des Amtmannes dazu benutze, um den gegen die Israeliten geübten bann zu brechen und tatsächlich das Niederlassungsrecht hier zu erwerben. Allein der Geschäftsneid und wahrscheinlich auch die religiöse Abneigung der Wasselnheimer waren, wie wir gesehen haben, stärker als er vermutet hatte und nötigten ihn zum Rückzug.

Den Amtmann Koch erreichte endlich sein Geschick. Durch Ungerechtigkeit aller Art verfeindete er sich dermaßen mit der gesamten Bürgerschaft, dass diese ihn 1702 den Gehorsam aufkündigte und eine neue gerichtliche Untersuchung gegen ihn veranlasste. Er wagte nicht, dass Ergebnis derselben abzuwarten, sonder floh mit Hinterlassung seiner Familie. Im Verlauf des Prozesses wurde festgestellt, dass er sich der Aufnahme einer großen Menge von Schulden, zahlreicher Veruntreuungen und der Verschleuderung verschiedener herrschaftlicher Güter schuldig gemacht hatte. Die Abwicklung der von seinen Gläubigern und seiner Familie gegen die Stadt Straßburg angestrengten Prozesse nahm mehrere Jahre in Anspruch. Er selbst starb, wie es scheint, bald nach seiner Flucht im Auslande.

Neben dem religiösen war es, wie wir bereits andeuteten, hauptsächlich das finanzielle Gebiet, auf welchem die Zugehörigkeit zu Frankreich sich bald auch für Wasselnheim in der empfindlichsten Weise bemerklich machte. Das Wort des Ministers Barbesieur „le roy a présentement besoin d’argent“ hatte schon seit dem holländischen Kriege und zwar zu jeder Jahreszeit seine volle Berechtigung, denn die Geldverlegenheit war schon damals so groß, dass Colbert der berühmte Finanzminister, kein anderes Mittel mehr gegen sie wusste, als die Ausschreibung einer drückenden Steuer auf Nahrungsmittel. Es war dies die verhasste Fleischaccise, die darin bestand, dass die Metzger von jedem Stück Schlachtvieh, je nach dem Gewichte, eine größere oder kleinere Abgabe zu entrichten hatten. Die Steuer erhöhte die Fleischpreise ganz beträchtlich und wurde allgemein „der böse Pfennig“ genannt. In Wasselnheim wurde sie 1682 eingeführt und trotz aller Beschwerden der Metzger beibehalten.

Andere Steuern, zum Teil höchst seltsamer Art, brachten die Jahre 1692 bis 1694. In Paris hatte man auf den Rat eines Ungenannten beschlossen, dem „reichen“ Elsass eine Gelegenheit zu bieten, um seinen vermeintlichen Geldüberfluss los zu werden, und schuf zu diesem Zwecke 1692 eine ganze Reihe neuer Beamtenstellen (siehe oben), welche an die Lusttragenden verkauft werden sollten. Auch im Amt Wasselnheim sollten mehrere dieser Ämter errichtet werden, da aber die Stadt Straßburg 300.000 Frank bezahlte, wurde ihr Gebiet mit der Einrichtung verschont. Mit dem Verkaufe der neuen Stellen wollte es aber trotz aller Bemühungen des Intendanten nicht recht vorangehen und die erhofften großen Summen blieben aus. Man griff darum alsbald zu einer anderen, sehr einträglichen Steuer, der sogenannten Kontrolle (Einregistrement), die im Jahr 1693 auch im Amt Wasselnheim eingeführt wurde. Der Wasselnheimer Amtsschreiber war der erste, welcher erfahren sollte, wie streng es mit derselben genommen wurde. Um die Steuer nicht zahlen zu müssen, hatte er es unterlassen, einen von ihm geschlossenen Kaufvertrag zur amtlichen Eintragung anzumelden, und er wurde trotz aller vorgebrachten Entschuldigungen um 400 Livres gestraft. Um ähnlichen Steuerunterschlagungen möglichst entgegen zu wirken, wurde den Wirten, da bei ihnen die Kaufverträger durch das Trinken des „Weinkaufes“ besiegelt zu werden pflegten, sowie den Gemeindeboten und Bannwarten die Pflicht auferlegt, alle zu ihrer Kenntnis kommenden Besitzveränderungen zur Anzeige zu bringen. Unterdessen hatte man den Plan mit den neuen, käuflichen Ämtern doch nicht fallen gelassen. Man hoffte auf diese Weise über eine halbe Million Frank aus dem Elsass ziehen zu können, und da dies noch nicht genug schien, erweiterte man im Laufe des Jahres 1693 sogar noch den ursprünglichen Plan, indem man auch die Stellen der Stadtvorsteher und gewisser Provinzial-Militärbeamten („les maires, et assesseurs des villes et les commissaires aux reveus des trouppes“) käuflich zu machen beabsichtigte. Der Intendant Lagrange wurde von den Ministern Barbesieur und Ponschartrain wiederholt unter Hinweis auf die Gnade des Konigs angefeuert, sein Möglichstes zur Durchführung der Maßregel zu tun. „Vous ne pouvez rien faire“, schreibt ihm der letztere am 18. Mai 1694, „qui soit plus agréable à S,M, (Sa Majesté), que de lui procurer les moyens d’avoir de l’argent.“ („Sie können Seiner Majestät nichts Angenehmeres erweisen, als dass Sie ihm die Mittel verschaffen, Geld zu bekommen.) Der Intendant findet die Summe zwar sehr hoch und meint, sogar 400.000 Livres seien noch zu viel („au delà de la portée des peuples qui sont d´jà fort surchargés“), aber die Wünsche des Königs stehen ihm doch höher, als das Wohl des Volkes, darum rät er, die Auflage auf die ganze Provinz zu verteilen unter dem Vorgeben, dass der König für die genannte Summe von seinem Vorhaben abstehen und die neu geschaffenen Ämter ganz aufheben wolle. Die Bürgermeister- und Beigeordnetenstellen könne man sogleich mit einschließen, dadurch werde es möglich, von den Städten noch 300.000 Livres mehr zu erheben, als anfänglich beabsichtigt gewesen             

Dieser Rat wurde angenommen; die Auflage wurde gezahlt und die Stellen vom Staatsrat zu Paris für aufgehoben erklärt. Aber noch war die letzte Rate der Steuer nicht entrichtet, als zwei neue Verordnungen derselben Behörde erschienen, welche den erstgenannten Beschluss teilweise wieder aufhoben, indem sie erklärten, dass eine ganze Anzahl der neuen Ämter sich als unentbehrlich erwiesen habe und nach dem Willen des Königs für die Zukunft beizubehalten sei. Bei dieser Steueroperation wurde auch Wasselnheim in Mitleidenschaft gezogen , insofern es seinen Anteil zur Auflage beisteuern musste; denn die Stadt Straßburg wurde trotz der bereits gezahlten 300.000 Frank bei der Verteilung der von der Provinz aufzubringenden Summen gleich allen anderen Städten herangezogen und musste eine Anleihe aufnehmen, um den auf sie gefallenen Betrag entrichten zu können.



Während des Pfälzischen Krieges (1688 – 1697) blieb Wasselnheim, wie der größte Teil des Elsass überhaupt, von größeren kriegerischen Operationen verschont, wurde aber durch zahlreiche Truppendurchzüge und Einquartierungen belästigt. Dasselbe war während des verheerenden spanischen Erbfolgekrieges (1701 – 1714) der Fall. Da die französischen Waffen im Laufe desselben weit seltener als früher vom Sieg gekrönt wurden, so sahen sich die französischen Heerführer in der Regel genötigt, im Elsass ihre Winterquartiere zu beziehen. Einzelne Gemeinden wurden dadurch so hart mitgenommen, dass sie zuletzt die Lasten nicht mehr zu tragen vermochten Zu ihnen zählte auch das (gleichfalls zu Straßburg gehörige) Dorf Nordheim. Wasselnheim und Marlenheim wurden deshalb angewiesen, die notleidende Gemeinde zu unterstützen, und im Jahr 1708 kam zwischen den drei Gemeinden ein Vertrag zu Stande, durch den diese Angelegenheit geregelt wurde.

Auch von den späteren Kriegen des 18. Jahrhunderts wurde Wasselnheim nur wenig berührt. Nur einmal noch wurde es ziemlich empfindlich geschädigt während des österreichischen Erbfolgekrieges (1741 – 1748) an dem bekanntlich auch Frankreich beteiligt war. Im Jahre 1744 drangen österreichische Truppen unter dem berüchtigten pandurenobersten Trenck bis nach Zabern vor, brandschatzten die Dörfer und Städte und verwüsteten in der Wasselnheimer Gemarkung die Ernte.

Wenn so die äußeren Ereignisse in diesem Zeitabschnitt von geringer Bedeutung für die Gemeinde waren, so fehlte es dagegen nicht an inneren Angelegenheiten, welche die Gemüter beschäftigten. Vor allem sind es die bereits oben besprochenen materiellen Sonderinteressen, die auch in dem neuen Jahrhundert sich geltend machen. Noch immer werden Klagen laut über Schädigung der Bürger durch auswärtige Geschäftsleute. Gleich zu Beginn des Jahrhunderts sahen sich die Müller veranlasst, sich bitter darüber zu beschweren, dass der Bischof von Straßburg mehrere „Zwangmühlen“ in der Umgegend errichtet habe und seinen Untertanen verbiete, ihr Getreide anderswo als in diesen Mühlen mahlen zu lassen.  Der Magistrat konnte dem gerügten Übelstande nicht abhelfen, verbot aber seinerseits den Straßburger Untertanen, die bischöflichen Mühlen in Nahrung zu setzen. Nichtsdestoweniger wurden die Klagen von Seiten der Müller bis zum Jahr 1717 wiederholt erneuert.

Aber auch innerhalb der Gemeinde selbst tauchten solche Konkurrenzstreitigkeiten auf. Es ist schon früher erwähnt worden, dass die Stubenwirte mit Neid auf die anderen Wirte sahen und nicht nur die Weinkäufe, sondern auch die Hochzeitsschmäuse für sich begehrten. Im Jahr 1705 führten sie Klage darüber, dass überhaupt zu viel Wirtschaften da seien (1659 war bestimmt worden, dass die Zahl derselben nicht mehr als sechs betragen solle) und 1754 beschwerten sich die Schildwirte, d.h. diejenigen, die nicht nur Getränke verkaufen, sondern auch Gäste beherbergen durften und das Recht hatten, ein Schild aufzuhängen, über die zu große Zahl der Kranzwirte, d.h. derjenigen Wirte, welche nur die Schenkberechtigung besaßen und nur einen Kranz ausstecken durften. – Schon früher hatte der Apotheker mit den Barbieren im Streit gelegen, da diese ihm durch Bereitung und Verkauf von allerlei Heilmitteln das Geschäft verdarben. Die Beschwerden waren bis zum Straßburger Magistrat gelangt, und den Barbieren war wiederholt der zunftwidrige Handel untersagt worden, aber offenbar ohne genügenden Erfolg; denn 1759 gelang es dem Apotheker, mehrere dieser strebsamen Leute des unerlaubten Arzneiverkaufs zu überführen und ihre Bestrafung zu erwirken. Ähnliche Streitigkeiten tauchten wiederholt in fast allen Berufsarten auf.

Aber auch an religiösem Zwiste sollte es im 18. Jahrhundert nicht fehlen. Im Jahr 1755 wurde die Kirche abgebrochen, um durch eine neue ersetzt zu werden, da sie für die immer zahlreicher werdenden Gemeinden beider Konfessionen nicht mehr genügte. Der Neubau nahm zwei Jahre in Anspruch. Im Jahr 1757 wurde die neue Kirche eingeweiht und von den Katholiken der heilige Laurentius zum Kirchenpatron erwählt. (Auch die alte war demselben, wie es scheint, schon geweiht gewesen.) Das Chor der Kirche wurde den Katholiken zur Aufstellung des Hauptaltars und zur alleinigen Benutzung überlassen, während ihnen im Schiffe nur das Recht zustehen sollte, die Sitzplätze zu benutzen.         

Anfangs scheint alles gut gegangen zu sein, bis im Jahr 1761 der Generalvikar und Weihbischof des Straßburger Bistums (Duvernin) auf einer Rundreise auch nach Wasselnheim kam und verschiedene Änderungen im Schiff der Kirche zu Gunsten der katholischen Gemeinde verlangte. Trotz des Widerspruchs der Evangelischen wurden zwei Nebenaltäre und Beichtstühle im Schiff errichtet, das Chorgeländer weiter vorgerückt (so dass es auch die Nebenaltäre einschloss) und an verschiedenen Stellen Kreuze und Fahnen aufgestellt. Die alte Feindschaft loderte wieder in hellen Flammen empor, und da Ähnliches auch in anderen Gemeinden vorgekommen war, wandten sich die Oberkirchenpfleger (eine lutherische Kirchenbehörde) in Straßburg mit einer Beschwerde an den Minister Choiseul in Paris. Dieser erteilte dem Generalvikar und dem damaligen Intendanten (Lucé) des Elsass die Weisung, sich gütlich mit den Evangelischen auseinander zusetzen. Es wurde deshalb eine aus katholischen und protestantischen Mitgliedern bestehende Kommission mit der Untersuchung und Beilegung der Zwistigkeiten beauftragt, und dieselbe entschied bezüglich der Wasselnheimer Kirche am 8. März 1762, dass die errichteten Nebenaltäre und Beichtstühle stehen bleiben, aber auch der Alter der Protestanten nicht versetzt werden solle (was von katholischer Seite verlangt worden war); dass die Fahnenstangen an den Gängen des Schiffes befestigt bleiben, die Fahnen selbst aber nur während des katholischen Gottesdienstes daran aufgehängt und nach Beendigung desselben jedes Mal abgenommen werden sollten. Für den evangelischen Gottesdienst wurde die Zeit von 10 bis halb drei Uhrfestgesetzt. Auch der Gottesacker wurde geteilt und die Bestimmung getroffen, dass keine Grabsteine in die Kirchenmauer eingesetzt werden sollten. Es war hauptsächlich der Gewandtheit und Klugheit des Intendanten zuzuschreiben, dass der Streit ohne schlimme Zwischenfälle beigelegt wurde.

Derselbe Generalvikar Duvernin war es auch, welcher mit Genehmigung des Bischofs einige Jahre vorher ein Kapuzinerkloster unter der Benennung „Kapuzinerspital“ in Wasselnheim errichtet hatte. Das Klostergebäude war 1756 von der katholischen Gemeinde erbaut worden; es hatte seine eigene Kapelle und lag am oberen Ende des damaligen Fleckens (links von der Straße nach Maursmünster). 1757 wurden aus dem bereits seit einem Jahrhundert bestehenden Kapuzinerkloster zu Molsheim mehrere Väter hierher versetzt und das Kloster unter Posaunenschall und großem Gepränge von dem Generalvikar selber eingeweiht. Im Jahr 1759 schenkte die Gemeinde der Anstalt ein Grundstück zur Erweiterung ihres Gartens. – Dieses kleine Kloster ist insofern merkwürdig, als es die letzte Gründung der Kapuziner im Elsass war. Es bestand bis zur Revolution. – Im Jahre 1759 wurde vom Augustinerorden eine Bruderschaft zum Zweck der Krankenpflege hier errichtet über deren Schicksale nichts weiter bekannt geworden ist.

Auf Grund einer Ministerialverordnung vom 1. März 1727, welche bestimmte, dass da, wo sieben katholische Familien sich befänden, der Kirchhof zwischen den Evangelischen und Katholischen geteilt werden sollte, war, wie wir oben mitteilten, im Jahre 1762 auch in Wasselnheim die Teilung des Friedhofes vorgenommen worden. Im Jahre 1780 erhielten die Katholiken aber einen eigenen Gottesacker. Derselbe wurde oberhalb des Fleckens, rechts von der im vorhergehenden Jahre (1779) in Angriff genommenen neuen Straße nach Maursmünster angelegt und dient noch heute der katholischen Gemeindeals Begräbnisplatz (Der an der Westhofener Straße gelegene evangelische Kirchhof wurde schon im Jahre 1574 angelegt, da ein Glied der Gemeinde das Gelände dazu geschenkt hatte.) – Im Jahre 1784 wurde eine merkwürdige Änderung des Schlosses vorgenommen. Mitten auf dem Schlosshofe stand ein hoher Wartturm, der bei der Beschießung im Jahre 1674 nur wenig gelitten hatte. In dem genannten Jahre ließ die Stadt Straßburg denselben abbrechen und über der Einfahrt des Schlosses neu aufbauen. Aus welchem Grunde dies geschah, ist unbekannt.

Die friedlichen Zustände des 18. Jahrhunderts waren der Entwicklung der Gewerbe in Wasselnheim recht günstig. Neben den Webern und Färbern waren es hauptsächlich die Gerber, welche ihren Betrieb zu hohem Flore steigerten, so dass in dieser Hinsicht keine der kleineren Städte in der Nähe sich mit Wasselnheim messen konnte. Der Messtag war für die ganze Umgebung wichtig und wurde selbst aus ziemlich weiter Entfernung zahlreich besucht. Eine gewerbliche Anlage ganz besonderer und höchst seltener Art erhielt der Ort im Jahre 1734 durch die Errichtung einer Papierfabrik, die bald zu schöner Blüte gelangte und an die bekanntlich noch heute der Name Papiermühle erinnert.

Bei der letzten Zählung vor der Revolution zählte der Flecken mit Einschluss Brechlingens 440 Familien, nämlich 224 lutherische, 176 Katholische und neun reformierte.

Doch auch Wasselnheim empfand von Jahr zu Jahr mehr den schweren Druck, den die immer weiter voranschreitende Zerrüttung des französischen Staatswesens auf alle Verhältnisse ausübte. Die alten Steuern und Abgaben waren geblieben und zahlreiche neue hinzugekommen, und während die ersteren anfangs groß erschienen, verglichen mit den letzteren, kehrte sich im Laufe der Zeit das Verhältnis so völlig um, dass neben den neuen Steuern die alten geradezu verschwanden. War doch die von der „Province étrangère effective“, wie das Elsaß amtlich genannt wurde, jährlich aufzubringende Summe der Staatssteuern von 99.000 Livres im Jahr 1680 auf neun Millionen Livres beim Ausbruch der Revolution gestiegen. Kein Wunder, dass die große Staatsumwälzung auch hier in Wasselnheim den Boden vorbereitet fand und viele Bürger dieselbe mit Freuden begrüßten. Dem Ausbruch der Revolution gingen bekanntlich mehrere Reformversuche der französischen Regierung voran, die aber nur geringen oder gar keinen Erfolg hatten. Auf den Rat der 1787 berufenen Notablenversammlung fasste die Regierung den Beschluss, Provinzialversammlungen ins Leben zu rufen, welche die Verwaltung überwachen und Verbesserungen anbahnen sollten. Auch im Elsass trat eine solche, aus mehrfachen Wahlen hervorgegangene Versammlung im Jahr 1787 zusammen. Zunächst hatte jede Gemeinde aus ihrer Mitte eine Anzahl (3,6 oder9) Wahlmänner zu wählen, dann wählten alle Wahlmänner eines bestimmten Bezirkes wiederum vier Wahlmänner (2 Bürgerliche, 1 Adeligen und 1 Geistlichen) und diese erst ernannten die Mitglieder der Provinzialversammlung.

Die Gemeinde Wasselnheim hatte, da sie mehr als 200 Feuerstellen zählte, neun Wahlmänner zu wählen, ferner bildete der Flecken mit mehreren umliegenden Dörfern einen Wahlbezirk und hatte als solcher vier Bezirkswahlmänner zu wählen.  – Diese wiederholten Wahlen erregten das Interesse an den politischen Angelegenheiten, und als endlich die Revolution ausbrach, verfolgte man auch hier mit lebhafter Teilnahme die sich überstürzenden Ereignisse. Nachdem der 4. August 1789 theoretisch den Feudalstaat vernichtet, die Frondienste und andere Lasten, die Zünfte und Innungen, die Städtischen und provinziellen Vorrechte abgeschafft und die Gleichheit aller Stände proklamiert hatte, wurde die neue Ordnung der Dinge tatsächlich für Wasselnheim doch erst im Jahre 1790 durchgeführt, indem alle bisher bestehenden Einrichtungen der Verwaltung und Justiz beseitigt wurden. 1791 wurden die Mobilien des Schlosses versteigert, 1793 ging das Schloss selbst in das Eigentum des Fleckens über.  – Auch hier bildete sich ein sogenannter „Club“, der mit denjenigen anderer Elsässischer Staädte in Verbindung trat. Und selbst von der Schreckensregierung blieb Wasselnheim nicht verschont. Als der fürchterliche Schneider in Straßburg seine demagogischen Orgien feierte, erschien hier ein Agent desselben Namens Vogt, gleichfalls ein ehemaliger Priester, der aus Österreich eingewandert war; er führte den Titel eines Civilkomissärs und terrorisierte monatelang die Bevölkerung. Nach dem Sturze Schneiders wurde auch er verhaftet und nach Paris gebracht, dort zum Tode verurteilt und hingerichtet. Dafür schloss für Wasselnheim die eigentliche Revolutionsperiode; Mäßigung und Besonnenheit, Ruhe und Ordnung kehrten zurück und ermöglichten es, die Vorteile zu benutzen, welche die neuen Staatseinrichtungen darboten.

 

3. Gemeindeverfassung Wasselnheims unter der Herrschaft Straßburgs

Über die Gemeindeverfassung des Fleckens seit seinem Übergang an Straßburg haben wir nur noch weniges nachzutragen, da vieles Hierhergehörige schon in der politischen Geschichte berührt werden musste und daher nicht zu wiederholt zu werden braucht, andererseits aber der unseren Mitteilungen gestattete Raum bereits überschritten ist und wir uns deshalb in den folgenden Bemerkungen der möglichsten Kürze befleißigen müssen.

An der Spitze des Amtes Wasselnheim stand, wie schon oben gesagt wurde, der Amtmann als Vertreter der öffentlichen Gewalt. Er war verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Amtsgebiete, für die Ausführung aller von der Herrschaft angeordneten Maßregeln, für die Verwaltung der herrschaftlichen Güter und die Erhebung der Steuern und anderen Gefälle. Ihm zur Seite stand der Amtsschreiber. Die richterlichen Befugnisse des Amtmannes waren dagegen sehr beschränkt. Er besaß das Strafrecht in Steuersachen; auch in Polizeisachen konnte er Geldstrafen im Betrage von 5-30 Schilling auferlegen, höhere Geldbüßen und Gefängnisstrafen aber nur, wenn Gefahr im Verzuge war. Alle übrigen Rechtssachen einschließlich der Kriminaljustiz gehörten vor das Ortsgericht. – Der Amtmann musste Straßburger Bürger sein, durfte während seiner Amtsführung weder Güter kaufen noch solche als Lehen nehmen und musste (seit 1648) eine Kaution von 1000 Taler stellen. Seine Besoldung bestand teils in Geld, teils in Naturalien; außerdem hatte er den Nutzbrauch von einer Anzahl herrschaftlicher Felder und Rebstücke, die ihm von den Einwohnern in der Frone gebaut werden mussten.

Die eigentlichen Dorfangelegenheiten wurden von dem Schultheißen und dem aus sieben Schöffen bestehenden Gericht geleitet. Der Schultheiß musste gleich den Schöffen Bürger zu Wasselnheim sein und wurde von dem Amtmann auf eine Reihe von Jahren ernannt, die Schöffen dagegen wurden alljährlich neu gewählt, jedoch nicht von der Gesamtgemeinde, sondern von den abtretenden Schöffen selbst. Außer der Gemeindeverwaltung, wie sie etwa heutigen Tages dem Bürgermeister und Gemeinderat zusteht, hatten der Schultheiß und die Schöffen noch die Sammlung des Zehnten und das Rechnungswesen der Gemeinde zu besorgen. Ferner bildeten sie den Gerichtshof des Fleckens, dessen Zuständigkeit sich anfangs auf die gesamte streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit sowie auf die Kriminaljustiz, die todeswürdigen Verbrechen nicht ausgeschlossen, erstreckte. 

Die Befugnisse des Gerichtes einerseits und des Amtmannes andererseits waren im Anfange nicht scharf abgegrenzt und gerieten in Folge davon öfters in Kollision. Im Jahre 1553 wurde deshalb vom Straßburger Magistrat eine Verordnung erlassen, die genau bestimmte, welche Sachen vor den Amtmann gehörten.

Die Zuständigkeit des Ortsgerichtes wurde im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts immer mehr beschränkt, besonders seitdem das Elsass französisch geworden war. Zunächst wurde vom Straßburger Magistrat ein Fiskal ernannt, d.h. ein Beamter, welcher als öffentlicher Ankläger die Staatsgewalt zu vertreten hatte. Später wurden dem Gerichte alle Streitobjekte, die sich auf mehr als 1000 Livres beliefen, und endlich auch die peinliche Gerichtsbarkeit entzogen. 1714 wurde der Amtmann angewiesen, alle „Kriminalpersonen“ zur Aburteilung sogleich nach Straßburg bringen zu lassen. So verblieb dem Gericht zuletzt nur noch die niedere Gerichtsbarkeit.

Außer den Schöffen wurde jedes Jahr in den letzten Tagen des Monats Dezember von dem abtretenden Gericht noch eine große Anzahl von Ausschüssen zur Verwaltung der übrigen Gemeindeämter ernannt. Die Mitgliederzahl derselben war nicht immer gleich groß, sondern betrug aus unbekannten Gründen bald etwas mehr, bald etwas weniger. In der Regel wurden gewählt: 5 Brot- und Fleischbeschauer, 2 Heiligenpfleger (Kirchenrechner), 4 Weinläder, 1 Salz- und Kornmesser, 5 Brunnenmeister, 1 Weinsticher, 2 Stubenmeister, 2-3 Mühlschauer, 1 Kalkmesser (oder Messer auf der Ziegelscheuer), 5 Zoller (die an den Markttagen den Zoll zu erheben hatten), 5 Gaßner, 3 Kornbannwarte, 3 Rebbannwarte. Dazu kamen später noch: 1 Wagenmeister, 2 Fürsprech, 2 Maß- und Gewichtschauer, 2 Feuerschauer, 8-12 Bürger zur Bedienung der Feuerspritze u.a.

Das Dinggericht des Hornbacher Dinghofes bestand auch unter der Herrschaft Straßburgs noch fort und wurde eigentlich niemals aufgehoben, kam aber allmählich ganz außer Übung. Im Jahr 1529 fand noch einmal die Erneuerung des Weistums statt. Dasselbe weicht von dem oben mitgeteilten nur insofern ab, als es durch eine Anzahl nebensächlicher Bestimmungen erweitert ist, aber auch eine (die Bewirtung der Hübner mit Erbsenmus und Speck) fallen gelassen hat. Jene Zusatzbestimmungen schreiben vor, dass der Karstvogt, das ist der Schirmvogt (der Amtmann) bei der Hierherkunft des Abtes ihm bis „mitten in die Sore“ (vermutlich bis zum Flüsschen Zorn, das früher Sor oder Sorr hieß) entgegenzureiten habe, dass jeder neue Abt dem Meier und den Schöffen ein Messer und ein Paar neue Handschuhe zu geben habe und Ähnliches.

Nach der Erwerbung des Dinghofes durch die Stadt Straßburg (1563) traten die Schöffen desselben nur noch in großen Zwischenräumen zusammen und bloß, um festzustellen, welche Güter hofhörig waren, und welcher Zins in Geld oder Hafer von den Inhabern zu zahlen war. Diese Feststellungen wurden aus dem Grunde immer wieder nötig, weil die betreffenden Ländereien durch Vererbung nicht nur fortwährend in andere Hände übergingen, sondern auch vielfach geteilt und mit anderen, nicht hofhörigen Feldern zusammengelegt wurden, so dass häufig gar nicht mehr ermittelt werden konnte, wer gewisse, in den alten Registern verzeichnete hofhörige Stücke Land besaß, oder welcher Teil eines Ackerfeldes hofhörig und zinspflichtig war und welcher nicht. Darum mussten immer wieder die sogenannten „Erneuerungen“ vorgenommen werden. Die Letzte fand im Jahr 1771 statt. Die Revolution bewirkte, dass der bis dahin noch gezahlte Zins gänzlich wegfiel und die Güter in das Eigentum ihrer Besitzer übergingen.



Wir schließen hier unsere „Beiträge zur Geschichte Wasselnheims“, da die durch Revolution begründeten Verhältnisse sowie die daran anknüpfenden Ereignisse unseres Jahrhunderts der Neuzeit angehören und weit weniger einer geschichtlichen Beleuchtung bedürfen, als die Zustände und Taten vergangener Jahrhunderte.